Freitag, 23. Juni 2017

Autoreninterviews "Sein schönster Sommer" - Teil 1

Bei mir ist es schon gute Tradition, mit anderen Anthologiebeteiligten kleine Interviews zu ihren Beiträgen zu machen. (vgl. Zusammen finden und In seiner Hand - welches übrigens in Kürze in Neuauflage erscheint).
Nun aber hinein in den Sommer - alle AutorInnen haben von mir die Selben zwei Fragen bekommen:

1. Was verbindest Du persönlich mit dem Sommer und was davon hat in Deine Geschichte Eingang gefunden?
 
2. Wie entstand die Idee zu Deiner Geschichte und welche Schwierigkeiten ergaben sich (vielleicht) in der Umsetzung?




Björn Petrov - Bloody summer
Frage 1 
Sommer bedeutet für mich: nass sein. Gut, ich versuche eigentlich auch in allen anderen Jahreszeiten, so oft wie möglich schwimmen zu gehen, aber im Sommer war und ist das natürlich lauschiger, so im Freien. Wobei ich auch im Februar in die Ostsee gehe. ;-) Am besten, man kann schon früh am Morgen einen Runde im See drehen, und abends dann noch einmal. Es ist also wenig überraschend, dass eine meine Figuren - ich sag nur "Schwimmhäute" - ein dezent amphibisches Wesen ist. Und dass er so intensive Erinnerung an die nassen Eigenschaften seiner Heimat hat. Dass ausgerechnet so einer auf diesem Planeten Dienst tun muss ... ja. Gemein, nicht? Ich wünsche ihm vorn Herzen, dass er irgendwann wieder in einen kühlen Bergsee planschen kann.


Frage 2 
Ich liebe SciFi und Phantastik. Es ist herrlich, wie man sich da ausspinnen kann. Daher war klar, wie die Rahmenkonstruktion der Geschichte aussehen sollte. Und dann wollte ich einfach mit dem Begriff an sich spielen. Denn so, wie "Sommer" für jeden Menschen unterschiedliche Assoziationen und Bilder weckt, kann man es ja auch noch weitertreiben und mal ganz abstrakt rangehen. So kam es dann zu dem planetaren Schauplatz, der zumindest gewisse sommerliche Aspekte hat - wenn auch keine sonderlich angenehmen. Mir war aber klar, dass es nicht reichen würde, einen ausschreibungsgerechten Hintergrund zu bauen, vor dem dann irgendeine Geschichte spielt. Deshalb haben meine Helden eben so ausgeprägte Sehnsüchte nach ihrem jeweiligen Sommergefühl - das wiederum für jeden von ihnen ein bisschen anders aussieht. Einig sind sie sich allerdings darin, dass Sommer mit Naturschönheit, Wohlbefinden, Entspannung und Genuss zu tun hat. Die Sehnsucht danach, der Wunsch nach einem wunderschönen, vielleicht gemeinsamen Sommer lässt sie durchhalten.

Die Schwierigkeit lag für mich darin, eben wirklich genug Sommer in der Geschichte zu haben. Wie schon oben gesagt - es reicht nicht, einen Planeten lustig zu benennen und da kräftig die Sonne scheinen zu lassen.



Justin C. Skylark - Zwei Zelte
Frage 1
Ich mag den Sommer, bin zwar kein Sonnenanbeter und obwohl ich das Meer gleich vor der Tür habe, findet man mich selten am Strand. Dennoch fühle ich mich in den warmen Jahreszeiten wohler, mein Gemüt ist positiver gestimmt und ich friere seltener, obwohl ich in der kalten, dunklen Jahreszeit die Gemütlichkeit schätze. Ich reise jedes Jahr mindestens 1 x nach Norwegen und meistens genieße ich dort gutes Wetter, sogar in Bergen, wo es bekanntlich immer regnen soll, habe ich 2 x Temperaturen über 20° erlebt. Ich liebe es, die Natur und die Städte Norwegens zu erkunden und da ist schönes Wetter von Vorteil. Der See Sognsvann hat mich zu der Geschichte inspiriert, es ist ein Gewässer in der Nähe von Oslo mit wunderschöner Landschaft und einladenden Ufern. Der See ist im Sommer von Einheimischen und Touristen gleichermaßen gut besucht, doch bei meiner Story habe ich mir einfach vorgestellt, dass Mats und Basti an einer ruhigen Stelle allein sind auf weiter Flur. 

Frage 2
Wie die Idee entstand kann ich gar nicht mehr genau sagen. Wie in der ersten Frage erwähnt, hat mich ein See in Norwegen inspiriert, die Details kamen dann beim Schreiben, z.B. auch der Hinweis auf ein Buch von Jana. An Schwierigkeiten bei der Umsetzung kann ich mich nicht erinnern. Es sollte eine unterhaltsame, leichte Geschichte werden, die eher zum Schmunzeln anregt, als zum kritischen Nachdenken.


Levi Frost - Zwei in einem Boot

Frage 1

Rein vom Gefühl her habe ich wohl mehr verregnete als trockene Sommer erlebt - obs nun am Klimawandel oder am Wohnort liegt, sei mal dahingestellt. Daher verbinde ich mit der warmen Jahreszeit definitiv heftige Regengüsse, weiches Geniesel, nächtliches Gepladder und alles, was damit zu tun hat. Heiße Pflastersteine, die unter der Nässe dann lauwarm, aber trotzdem noch nicht kalt anfühlen, wenn man barfuss darauf geht. Blattgrün, das bis eben noch schlapp runterhing und nach dem Regen frisch und prall wirkt. Bestimmte Düfte. Gerade, wenn man eine Weile auf das erlösende Sommergewitter warten musste, kommt einem die Welt hinterher klarer, sauberer, freundlicher vor. Grundsätzlich finde ich Sommergeregne weniger deprimierend als Niederschläge in anderen Jahreszeiten. Und klar - diese Eindrücke habe ich in meiner Geschichte untergebracht. Ich habe mich sicher nicht hingesetzt und mir fest vorgenommen, auf Biegen und Brechen einen Text zu verfassen, der eben nicht "Blauer Himmel, zarte Wolken, strahlender Sonnenschein" ist - das Kernthema stand unabhängig vom dann drumherumgeschriebenen Wetter schon beizeiten fest. Allerdings wollte ich diese Begebenheit auch nicht einfach nur in ein typisches Sommerambiente einbauen, so dass man sie theoretisch auch nach belieben und ohne Umarbeitung in andere Jahreszeiten umplatzieren könnte. Mir war sehr wichtig, dass die Wetterlage eindeutig sommerlich und zugleich eng mit der Stimmungslage und dem Handeln der Figuren verwoben ist; dass die metaphorische Wirkung deutlich wird und quasi die innere, seelische Wetterlage der Figuren in den äußeren Umständen reflektiert wird. Bei einem vorweihnachtlichen Spaziergang über den Weihnachtsmarkt, Geschlender durch laue Frühlingsnächte, bilderbuchartigem Juliwetter oder Geraufe im Herbstlaub hätten die vielen nicht ausgesprochenen Worte zwischen den beiden ganz anders, oder auch gar nicht gewirkt.


Frage 2
Die Idee ... hm. Ich wollte keine belanglose Romanze im Sommerglanz schreiben, denn ich halte es für einen Trugschluss, dass die helle, warme Jahreszeit das Leben in allen Bereichen leichter macht. Zwischenmenschliche Probleme lassen sich nicht leichter beheben, nur weil draußen die Sonne lacht. Also richtete sich mein Blick auf Zustände, die einem theoretisch den Sommer auch gründlich vermiesen können. Zu dem Zeitpunkt stand der Titel der Anthologie ja noch nicht fest - ansonsten wäre ich vielleicht in eine andere Richtung gegangen. Und da ja allgemein bekannt ist, dass Männer eher zu wenig als zu viel reden, hielt ich das für einen interessanten Aspekt. Damit war klar: Zwei tendenzielle Schweiger in eher untypischer Sommerlichkeit. Und damit war ich an dem Punkt, dass die Wortlosigkeit, Hilflosigkeit, Ratlosigkeit beim Aussprechen ja einen Grund haben musste. Dauerregen auf der Seele schien mir ganz passend ... und da war sie dann, die Grundidee. Menschen sind halt auch im Sommer traurig, unglücklich, unbeholfen und sehnsüchtig. Da hilft kein Badesee und kein Softeis, da muss man durch. Also hab ich sie durchgeschickt, durch den Tag und ihre wolkenverhangene, gewittergebeutelte, tropfnasse Seelenlage.

Die Schwierigkeit für mich lag darin, trotz knapper Dialoge den Lesern deutlich zu machen, was da vor sich geht. Ich wollte keinesfalls lange Erklärtetexte und Ausleuchtungen irgendwelcher endlosen Gedankenschleifen. Das heißt, Worte, Gesten, Mimik, Verhalten ... das musste alles ausreichen und eindeutig genug sein, damit sich der (beobachtende) Leser reinfindet, abgeholt wird und dabei bleibt. Dieses innerlich Gebremste, Unsichere, und andererseits aber Entschlossene, Bejahende darzustellen, ohne es zu zerlabern - das war die Herausforderung bei der Sache. Und natürlich die Leser dazu zu kriegen, die beschriebenen Umgebungen mit allem Drum und Dran so nah und echt wie möglich wahrzunehmen. Aber den Anspruch hab ich eigentlich immer.




Paul Senftenberg - Lakeview summer


Frage 1

Meine Gefühle, was den Sommer betrifft, meine Empfindungen der Leichtigkeit und Freiheit, die die warme Jahreszeit in mir auslöst, diese Hoffnung, dass alles gut ist, wie es eben ist, und dass uns nichts Schlimmes passieren kann, habe ich in meinem Sommerroman Eine ganz andere Liebe zu vermitteln versucht. Diese fast euphorische Stimmung der langen, hellen, sonnendurchfluteten Tage wird in den Bildern und Szenen dieses Textes spürbar. Beispielhaft – und ich kann es in anderen Worten nicht besser ausdrücken – sind die letzten Absätze des Romans: Das ist Sommer für mich.



Die Morgensonne vor Augen, das Gleißen am Himmel vor sich, spüren sie, wie ihnen in der Brust das Herz schlägt. Sie füh­len sich so lebendig wie noch nie zuvor, frei wie junge Vö­gel, für die das Leben gerade erst begonnen hat und für die es keine Schranken gibt. In diesem Moment tragen sie in sich die Gewissheit, un­sterblich zu sein.

Die Jungen treten vor bis an den Rand des Abgrunds und schauen nach unten.

Puh!“, meint Michael.

Wir schaffen das!“, ruft Daniel.

Zusammen gehen sie zurück bis an den hinteren Rand des Felsblocks. Jetzt zögern sie nicht mehr. Michael hebt den Kopf in den Wind und hört dicht neben sich Daniels Jauchzen.

Gleichzeitig, als brauchten sie keine Verständigung durch Wor­­te, nehmen sie Anlauf.

Sie rennen los.

Sie spüren unter ihren nackten Füßen den rauen kühlen Fels, sie brechen mit ihren Körpern eine Schneise in den Wind, der ihnen keinen Widerstand mehr bietet, und im Laufen fas­sen sie einander an den Händen.

Kneifen die Augen zusammen.

Und springen.


Frage 2

Das Drehbuch „Lakeview Summer“ entstand – in etwas anderer Form – im Frühjahr des vorigen Jahres aus dem ganz konkreten Anlass eines geplanten und eigentlich bereits fixierten Filmdrehs. Aus dem Grund, dass manche Menschen einfach nicht zu ihrem Wort stehen und im einen Moment von einer Sache total begeistert sind, im nächsten aber nichts mehr davon wissen wollen, verlief das Projekt dann aber im Sand. Anfangs verärgert über meine Naivität und Gutgläubigkeit und enttäuscht von den beteiligten Personen und der verpassten Gelegenheit, ergab sich nach einiger Zeit daraus aber eine neue Chance. Ich glaube nicht, dass es den Roman Fahren mit wehendem Haar, an dem ich derzeit arbeite, ohne den Enthusiasmus und die Enttäuschungen des Vorjahres geben würde. Einige der Figuren des Drehbuches, ein Teil des Settings, die sommerlich-leichte Stimmung und zweifellos auch die persönlichen Bekanntschaften und die positiven und negativen Erfahrungen, die mit dem ursprünglichen Projekt zusammenhängen, sind in den Text eingeflossen. Wenn ich dann im nächsten Jahr das fertige Buch in Händen halten werde, wird sich wieder einmal erwiesen haben, dass in jedem Scheitern auch der Anfang von etwas Neuem liegen kann.


Vielen Dank für Eure Antworten!
Wer jetzt neugierig geworden ist, kann hier lesen: Sein schönster Sommer
Vor dem 2. Teil der Interviews wird es noch ein Special geben - Ihr könnt gespannt sein!

2 Kommentare:

  1. Oh, das macht neugierig. Wie unterschiedlich die Autoren das Thema sehen und behandeln - das macht wirklich neugierig auf die Unterschiedlichkeit der Geschichten, die diese Interviews erahnen lassen.
    Ich freue mich drauf!

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