Hier der zweite und letzte Teil der Interviews mit den Beteiligten der Anthologie "Sein schönster Sommer"! Noch einmal die Fragen für alle:
1. Was
verbindest Du persönlich mit dem Sommer und was davon hat in Deine
Geschichte Eingang gefunden?
2. Wie entstand die Idee zu Deiner
Geschichte und welche Schwierigkeiten ergaben sich (vielleicht) in
der Umsetzung?
Lena M. Brand - Wenn er tanzen will
Frage 1
Mit dem Sommer verbinde ich
Leichtigkeit, Wärme, Freiheit, Sorglosigkeit und eine Riesenportion
Glück und Endorphine. Ein schöner Sommer beinhaltet für mich warme
lange Sommernächte, heftige Sommergewitter, flirrendes Leben,
abenteuerliche Urlaubsreisen etc. Dies alles hat im Großen und
Ganzen in meiner Geschichte seinen Platz gefunden.
Frage 2
Als ich die Anthologie-Ausschreibung
las, hatte ich sofort meine Sommer als Jugendliche in den 90ern im
Kopf. Pre-Handy, Pre-Internet. Diese Zeit ist eigentlich gar nicht so
weit weg und doch unvorstellbar heute. Ich bin am Land aufgewachsen,
manchmal haben wir uns nächtelang als Clique draußen
herumgetrieben, z.B. bei schlechten Konzerten, auf Bauernhöfen oder
zelten an Bergseen. Verlieben und Kontakt halten war dank mangelnder
Technik damals gar nicht immer einfach. Auch meine beiden
Protagonisten müssen das in der Geschichte durchstehen. Der Sommer
1996 war einer meiner schönsten Sommer - deswegen habe ich dann
diesen gewählt. Die erwähnte Interrailreise in der Geschichte war
ein besonderes Highlight für mich.
Meine Schwierigkeit war wohl die
‚Leichtigkeit‘ der Geschichte. Ich habe schon beim Schreiben
gemerkt, dass kaum Tiefe im Text ist, was ja meist bei einer KG so
ein kleines Kriterium ist – andererseits ist genau diese Leichte ja
auch meine Interpretation von Sommer, deswegen habe ich die
Geschichte letztendlich so gelassen.
Carmilla DeWinter - Treffpunkt
Siegessäule
Frage 1
Sommer ist, wenn ich meine
(Schreib-)Arbeit nach draußen tragen kann, wenn die Tage lang und
hell sind, und ich nicht friere (ich friere sehr schnell). Meine
optimale Betriebstemperatur liegt zwischen 25 und 35 Grad Celsius, wo
andere schon wieder vor niedrigem Blutdruck nicht klar denken können.
Außerdem ist bedingt durch meinen
Aktivismus und meine Tanztruppe natürlich CSD- und
Mittelaltermarktsaison. Da ich mich bezüglich der Christopher
Street Days mit der schwulen Szene überlappe, lag es nahe, meinen
letztjährigen Aufenthalt in Berlin für eine schwule
Sommeranthologie zu nutzen. Es finden sich einige echte Begebenheiten
und Menschen inklusive meiner Fußgruppe in dem Text wieder.
Frage 2
Wie gesagt: Christopher Street Days als
verbindendes Element waren recht schnell ausgemacht. Kostümierte
Engelchen und Teufelchen laufen bei solchen Veranstaltungen recht
häufig herum, und ich hatte kurz vorher eine Story mit einem Inkubus
gelesen. So einer hätte logischerweise bei einem CSD ein Festmahl
vor sich. Also musste ich nur noch über Amoretti als Gegengewicht
nachforschen.
Schwierigkeiten gab es zweierlei.
Erstens bin ich aus Süddeutschland. Hier unten sagt beispielsweise
keine*r mehr "pflanz dich", wenn's ums Hinsetzen geht.
Glücklicherweise lebt meine werte Betaleserin in Moabit (im vierten
Stock eines Altbaus ohne Aufzug ...), das heißt, ich habe durch
unsere Bekanntschaft ausreichend Gelegenheit, Berlinerisch zu hören,
und sie hätte mir auch hoffentlich gesagt, wenn eine Formulierung
gar nicht gepasst hätte. Außerdem habe ich noch ein wenig über
Google Street View gebrütet, ob ich mich richtig an die Umgebung der
Siegessäule erinnere, inklusive des Mäuerchens, das den Tiergarten
umfriedet.
Zweitens wusste ich, sobald ich das
Wort "Kokos" geschrieben hatte, dass ich das lesbare
Gegenstück eines Raffaellos produzieren würde. Es ist nicht
einfach, leichtfüßig bzw. süß zu bleiben und dabei nicht
langweilig zu werden. Ich hoffe, es ist durch die Anwendung von Ishs
(und meinem) Humor gelungen. Sozusagen als Nussstück zum dran
Knabbern im Inneren der besagten Praline.
Kai Brodersen - Sein schönster
Sommer
Frage 1
Sommer, das ist dieses seltsame Gefühl
auf der Haut nach einem langen, heißen Tag. Das Gefühl, das auch
nach duschen, salben und ölen nicht weggeht und einen in den Schlaf
begleitet. Sommer ist Glühen, Reifen, Überfluss, ist Durst und
Stillung.
Frage2
Literatur funktioniert nicht ohne
Preisgabe, und insofern ist alles ernsthafte Schreiben in der einen
oder anderen Weise autobiographisch.
Beim „schönsten Sommer“ stimmt das
buchstäblich, zumindest im Kern: Die Geschichte stand mir mehr oder
minder komplett vor Augen, nachdem ich knapp vierzehn Tage auf
unserer Station für Chemotherapien ausgeholfen hatte. Danach war
eigentlich nur noch das Ringen mit der Form nötig, der Kampf um
Formulierungen, den richtigen Ton, Charakterzüge, Verhaltensweisen –
und natürlich ein wenig Recherche.
Schwierig war für mich, eine
Liebesgeschichte zu schreiben, ohne ins Süßliche abzudriften, von
einem Sterben zu erzählen, ohne zu nahe am Wasser zu bauen.
Elisa Schwarz - Sommer am See
Frage 1
Sommer ist für mich eher ein
wunderbares Gefühl, anstatt einer Jahreszeit. Denn im Sommer tummeln
sich eine Vielzahl an Gefühlen an sämtlichen Schauplätzen der
Welt. Im Wald, am See, in den Bergen, in der Stadt ... Alles darf
sich draußen abspielen, während in den eigenen vier Wänden die
Zeit stillzustehen scheint. Sommer ist für mich, wenn: die Haut von
Sonnenstrahlen verwöhnt wird und die Sonnenbrille die Augen
abschirmen muss, bevor die Helligkeit einem die Tränen in die Augen
treibt, das kühle Nass eines Badesees für einen klaren Kopf sorgt
und man sich frei und unbeschwert auf einer Luftmatratze treiben
lassen kann, wenn man mit Freunde ausgelassen feiert und Blicke
ausgetauscht werden, die zu etwas Besonderem heranwachsen können,
Singstimmen der Vögel im Hintergrund und Bienensummen in der Luft
... All das zusammengefasst findet in meiner Kurzgeschichte „Sommer
am See“ Platz. Viele Sommer habe ich genau so erlebt: Am See, mit
meiner Clique, von morgens bis abends vor sich hindösen, Spaß
haben, sich verlieben, Probleme wälzen, die trotzdem nicht
erdrückten. Jan, mein Ich-Protagonist, durfte all dies für mich
Revue passieren lassen, was ich in meiner Jugend erlebt habe. Denn im
Vordergrund steht sein Gefühl - neben diesem, all die kleinen
wunderbaren und nicht ganz so schönen Dinge, die einen im Leben
begleiten können. Nicht immer herrscht eitel Sonnenschein bei 35
Grad im Schatten. Und doch kann man dafür kämpfen, Negatives keinen
Raum zu geben, sich zu entfalten.
Frage 2
Die Geschichte rund um Jan und Levin
war in meinem Kopf, kaum, dass ich die Ausschreibung gelesen hatte.
Etwas sommerliches war gefordert, Gefühle sollten einen Stellenwert
einnehmen, queer sollte es sein. Zu einem Sommer gehört für mich
Gewässer: Meer, See, Schwimmbad - sogar ein Platzregen und Gewitter
dürfen nicht fehlen. Themen anzukratzen, die die Leichtigkeit
überschatten, sie aber nicht auswachsen zu lassen, um die Geschichte
zu bedrückend erscheinen zu lassen, war die einzige Schwierigkeit,
die sich mir gegenüberstellte. Ich wollte und konnte Homophobie,
Mobbing, Trennungsschmerz nicht in den Vordergrund stellen. Nicht bei
Jan, der für mich einfach eine wunderbare, neue Liebe verdient
hatte. Ich hoffe, es ist mir geglückt.
Alles Liebe, Elisa
J. Walther - Der Garten
Frage 1
Gekreische im Freibad, dieser warme
Brise am Baggersee, auf dem ich als Kind gesegelt bin, blauer Himmel
mit Schönwetterwolken über grünen Hügeln, reifes Korn, die Hitze
flirrt über dem Feldweg. Laue Abende im Garten mit dem Duft von
Holunder. Die Wärme, die einen empfängt, wenn man vor die Haustür
tritt, barfuß durchs Gras, blühende Rosen, warmer Regen auf sattem
Grün. So viel wie möglich im Freien sein, in der Hängematte dösen,
das Leben ist leichter, unbeschwerter … Ich könnte ewig so
weitermachen, ich bin wirklich sommerverrückt. Diese Jahreszeit
weckt auch viel Kreativität, ein unnachahmliches Wohlfühlen und
eine schwer stillbare Sehnsucht in mir.
In die Geschichte eingegangen ist eines
meiner Lieblingsmotive, der halbwilde, üppige Garten im Sommer.
Frage 2
Die Grundidee ist schon sehr alt und
ruhte in den Tiefen meiner Schreibhefte. Inspiriert hat mich ein
verlassener Garten in einem Feld, den man von einer Straße sieht,
die zu einem See führt. Es war ein schmaler, spitz zulaufender
Garten, mit einem Schuppen in diesem typischen Graugrün und ich fand
es faszinierend, wie lange dieser Garten im Feld erkennbar blieb
(wohl immer noch ist), obwohl sich niemand mehr darum kümmerte.
Ursprünglich sollte der "Eindringling"
ein Junge sein, der vor seiner stark religiösen Familie geflohen
ist, aber nun hatte ich eine andere Idee, die mir aktueller schien,
während ich gleichzeitig die Handlungszeit deutlich nach hinten
verlegte. Die Umsetzung gelang mühelos und alles fügte sich
zusammen.
Einige Gedanken habe ich mir gemacht,
ob die Anspielungen nicht zu unklar sind oder zu platt. Und ob die
Geschichte gut genug ist, schließlich ist sie ja außer Konkurrenz
in die Anthologie gekommen. Es war nicht von Anfang an geplant, dass
ich etwas beisteuere, aber ich konnte das Buch nicht ohne meine
Sommer-Sehnsucht lassen.
Ich danke nochmals allen AutorInnen für ihre Antworten und Ihre engagierte Beteiligung an meinem Herzensprojekt.