Hier nun der zweite Teil der Interviews mit den Autoren von »In
seiner Hand – Geschichten voller Männerlust« (Teil 1)
Die Fragen, die an alle Autoren gingen, lauteten:
- Woher kam die Idee/Inspiration zu Deinem Text?
- Wie schwer fiel es Dir, explizite Erotik zu schreiben? Wie
stark unterscheidet sich das von Deinen bisherigen Texten?
Florian Höltgen
– »Zehn Prozent«
Frage 1 Raik ist verantwortlich.
Ich habe gerade sein "Anno" gelesen. Ich habe allerhand
Projekte unterschiedlichster Genres in der Schublade. Manchmal ärgert
es mich, dass ich mich nie so recht rantraue, weil ich denke, dass
ich nicht so gut bin wie ich gern für die jeweilige Idee wäre. Und
dann lese ich Raiks Buch und dachte: Okay, so geht das also. Wie
damals in der Schule, wenn alle schreiben und man selbst total
erschlagen ist. Und irgendwann fragt man dann verzweifelt: "Kann
ich mal gucken?"
Raik hat mich also angeschubst und das
Genre festgelegt. Und dann kam Raik im Buch auch passgenau mit dem
Chip um die Ecke. Die Idee, per Fernbedienung bei jemandem Lust
auszulösen, sodass derjenige nicht mehr anders kann, als mit einem
zu schlafen. Tja, wer kommt denn da nicht ans Fantasieren? *hust
hust* So fängt es ja meistens an: Man ist völlig fasziniert und
plötzlich gehen die Rollos runter und man hängt in seinen
Was-wäre-wenn-Gedanken fest. Am Ende kommt dann so was raus. Raiks
Chip macht Lust, meiner verhindert sie. Selbstverständlich gibt's in
beide Richtungen Probleme ;)
Frage 2 Probleme ... Gute
Überleitung :D Ich wollte unbedingt an der nächsten
Incubus-Ausschreibung teilnehmen. Und dann wurde das Thema
bekanntgegeben ... OH NEIN!!! Ich habe ziemlich lange gebraucht, um
mich von den Altlasten freizumachen und die Aufgabe von Incubus nicht
als Strafe anzusehen, sondern als Herausforderung. Ich war
tatsächlich versucht, irgendwas mit S/M zu schreiben!
Der
Unterschied bei dieser Story liegt darin, dass ich die Sache
ernstgenommen habe. Ich wollte keinen Sexkram, den ich aus Trotz
übertreibe. Die Aufgabe an mich selbst lautete: Wie kann ich eine
Erotikgeschichte schreiben, in der es keinen Sex geben darf? Jawohl,
wenn mir etwas schwerfällt, versuche ich nicht unbedingt, mir die
Sache leichter zu machen *hmpf*
Und das ist für mich selbst bei
dieser Geschichte anders: Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis! Das
kann ich von meinen anderen expliziteren Texten nicht behaupten.
Devin Sumarno –
»Prometheanisches Quartett«
Frage 1 Ich dachte mir: „Wenn ich schon eine Sexszene
schreiben soll, dann aber ohne Tabus.“ Ich finde selbst eher
Gefallen an Erotik, die vielleicht schon ein bisschen an der Grenze
des guten Geschmacks kratzt. Ich mag es, wenn es auf der
Handlungsebene verdorben, aber sprachlich nicht vulgär ist. Ich
wollte daher etwas schreiben, dass kinky ist, die Figuren dennoch
nicht entwürdigt. Gleichzeitig ist aber auch Björn (wie immer)
schuld, der in der Diskussion um den Ausschreibungstext den schönen
Begriff „Spaß mit Sperma“ fallen ließ, was ich wörtlich
genommen habe. Er hat es sich gewünscht, er sollte es bekommen.
Frage 2 Ich hatte da großen Respekt vor. Gute Erotik ist
so etwas wie die Königsdisziplin, ich habe bisher nur sehr wenige
Sexszenen gefunden, die mich selbst wirklich angesprochen haben.
Daher hab ich mich schon etwas schwer getan, zumal ich auch schon
ewig keine ausladende Sexszene geschrieben habe. Dass ich mir (schon
wieder) vier Figuren vorgenommen habe, hat den Schreib- und
Überarbeitungsprozess nicht gerade vereinfacht, da man die Übersicht
über 16 Gliedmaßen behalten muss. Uli war im Lektorat so
verzweifelt, dass er sich eine Skizze angefertigt hat, aber ich
glaube, wir haben zusammen dann sämtliche Arme und Beine gut
sortiert. Was diesen Text von den anderen unterscheidet, ist wohl der
fehlende Konflikt. Ich wollte mich an einer klassischen PWP-Szene
versuchen, da ich die Ausschreibung in dieser Art interpretiert habe;
auch wenn ich nach der Lektüre der anderen Geschichten dann gemerkt
habe, dass die Kollegen alle richtige Geschichten geschrieben haben,
so mit Handlung und Thema. Jedenfalls verlangte der
Ausschreibungstext nach Spaß, weshalb ich auf ein allzu düsteres
Geschehen verzichten wollte. Die Vier-Personen-Konstellation sowie
ein wenig Spielerei mit der Erzählweise konnte ich mir dennoch nicht
verkneifen. Ich wollte einen Aspekt von Voyeurismus drin haben,
weshalb diese etwas komplizierte Form entstanden ist, bei der jede
der Figuren einer anderen zuschaut. Das
Cuckolding/Sloppy-Seconds-Unterthema hat sich dann als Abrundung für
die Freunde mit gewissen Vorzügen und den Voyeurismus angeboten.
Leann Porter –
»Wolfsträume«
Frage 1
Die Geschichte spielt in meiner Fantasy-Welt Danu, zu der mich viele
Reisen nach Irland inspirierten, besonders die Mythen um die
Túatha Dé Danann. Sie herrschten der Legende nach über Irland, bis
sie von den Milesiern geschlagen wurden. Das Land wurde aufgeteilt
und sie mussten fortan in den unterirdischen Bereichen Irlands,
der Anderwelt, leben. Ihre Nachfahren sind als Sidhe
bekannt, das "Volk aus den Hügeln". Ich habe mir
überlegt, wie diese Anderwelt wohl aussehen könnte und wie das
Leben der Sidhe weiterging, und so entstand Danu. Während der letzten Jahre habe ich
einige, bisher unveröffentlichte, Romane geschrieben, die dort
spielen.
Zu dem in der Geschichte
beschriebenen Tanz, dem Damhsa, mit dem die Kämpfer sich vor
dem Training aufwärmen, inspirierte mich Capoeira, ein
brasilianischer Kampftanz. Die kraftvolle Eleganz fasziniert mich und
ich dachte mir, dass diese Art "Tanz" gut zu meinen
kämpferischen Sidhe passt.
Frage 2 Die Erotik war nicht das
Problem, sondern die Kürze. Ich schreibe eigentlich überhaupt keine
Kurzgeschichten. Immer, wenn ich es versucht habe, wurde gleich ein
Roman daraus. Aber als ich die Ausschreibung von Incubus entdeckte,
war ich sofort begeistert und wollte unbedingt mitmachen. Ich mag den
Verlag sehr und Erotik schreibe ich gerne. Die Kurzgeschichte
unterscheidet sich daher nicht besonders von meinen bisherigen
Texten, nur dass sie eben kürzer ist. Ich muss gestehen, dass mir
eine Figur aus der Geschichte so gut gefiel, dass sie nun auch in
einem längeren Werk vorkommen wird, an dem ich gerade schreibe.
An meinen ersten Ausflug in das
Schreiben expliziter Erotik erinnere ich mich noch gut. Vor drei
Jahren ist mir versehentlich eine Sexszene in einen Roman
geraten, da habe ich gemerkt, wie viel Spaß mir das
Schreiben bereitet. Bis ich es gewagt habe, diese und ähnliche
Szenen jemandem zum Lesen zu geben, musste ich ganz schön über
meinen Schatten springen. Auch heute geht es mir manchmal noch so,
dass ich rot werde, wenn ich meine eigenen Erotikszenen lese. :-)
Levi Frost – »Einmal
Unendlichkeit und zurück«
Frage 1 Die Idee, einen
interstellaren Zeitreisenden ins Zentrum des Geschehens zu rücken …
naja. Ich mag die Vorstellung, dass die Menschheit klammheimlich von
Aliens unterwandert wird. Nicht mit kriegerischer Absicht, sondern zu
Forschungszwecken. Gibt schließlich einiges hier zu entdecken. Und
ich fand die Sicht von „außen“ auf menschlichen Sex einfach
spannend. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Sex in unserer Zeit nur
noch ins Extreme geht. Extrem verdorben, grenzenlos und kinky, je
„schmutziger“ auf dem Weg zum Extrakick, umso besser – und auf
der anderen Seite extrem klinisch. Bloß kein Haar zu viel, bloß
kein Körpergeruch, bloß keine Flecken auf dem Lacken und keine
Geräusche bitteschön, Hauptsache alles ist duftig und glatt und
romantisch und hach ja. Zumindest wird einem das durch die Medien
suggeriert. Niemand scheint mehr ganz normalen, soliden,
verschwitzten, verklebten Sex zu haben, bei dem man hinterher eben
genau danach aussieht, klingt und riecht.
Dabei funktioniert Sex doch am besten,
wenn man ganz ungezwungen, unverklemmt und ohne künstlich
konditionierten Ekel die Dinge so geschehen lässt, wie man sie
braucht, wie sie (sprichwörtlich) kommen und sich daran freut. Sich
mit vorbehaltloser Neugier auf das einlassen, was der bzw. die Körper
so machen und produzieren, es als gegeben und Resultat der
gemeinsamen Leidenschaft zu nehmen und zu genießen. Das Stichwort
„Spieltrieb“ passt mir hier ganz gut.
Mein Alien findet – so glaube ich –
gerade diese Echtheit und den selbstverständlichen Umgang mit
sexuellen Bedürfnissen und Resultaten sehr bemerkens- und
erstrebenswert. Er hat sicherlich eine Menge Erfahrung, zumindest
eine Alternative darf der Leser ja miterleben. Auch das fand ich
spannend – zu erfinden, dass es auch noch weit in der Zukunft Sex
gibt, bei dem zwei reale Lebewesen real miteinander umgehen. Und dass
es auch dann ganz ungewöhnliche Leidenschaften gibt – so wie heute
– und dass es darum geht, sich einfach darauf einzulassen.
Frage 2 Ich versuche, in meinen
Geschichten in erster Linie der von mir gewollten Aussage gerecht zu
werden. Wenn meine Figuren es in diesem Zusammenhang miteinander in
die Horizontale treibt, dann ist das so. Und dann schreibe ich auch
das auf, was der Leser wissen sollte und was für die Entwicklung der
Geschichte von Relevanz ist – gegebenenfalls auch sehr explizit.
Daneben findet man bei mir aber auch Texte, in denen erotische
Aktivitäten nicht näher ausgeleuchtet oder ganz nüchtern
betrachtet werden. Beim „Lied vom Wunder“ ist das beispielsweise
so, und auch bei „Von Porridge und Roast“.
Dass der Fokus tatsächlich
ausschließlich auf der sexuellen Komponente liegt, war noch nicht so
oft Kern meines Schreibens. Also – nicht bei den Sachen, die ich
veröffentliche. *grins* Schwierigkeiten, meinen Protagonisten genau
zwischen die Beine zu schauen (und nicht nur dahin) und das in Worte
zu fassen, hatte ich nicht. Allerdings habe ich auch nicht versucht,
irgendetwas besonders hübsch oder gefällig zu formulieren – das
hätte den Spaß an der Sache doch sehr gemindert.
Annette Juretzki – »Als Hylios
brannte«
Frage 1 Ich habe mir überlegt,
welches Bild ich unglaublich erotisch finde. Ganz klar: Schweiß im
Kerzenschein – und schon war die Zeile "Als Hylios brannte"
im Kopf. Die ringenden Feinde, die selbst nicht wissen, ob sie noch
kämpfen, folgten schnell darauf, denn die Idee von Sex als Kampf
fand ich auch spannend. Dabei waren mir beide Soldaten so unbekannt
wie sie sich selbst und ich habe meine Protagonisten erst während
des Schreibens Stück für Stück kennenlernen können.
Ganz lustig ist übrigens, dass ich
einen Wüstenplaneten vor Augen hatte (also eher Postapokalypse),
meine Testleser aber bei Hylios an eine antike Stadt dachten oder
sich in einem Fantasy-Setting wiederfanden. Zwar blieb ich bewusst
unkonkret im Text, hätte aber trotzdem nicht gedacht, dass die
verschiedenen Stadtbilder so weit auseinander liegen.
Frage 2 Ich muss zugeben, das
war gerade mal die zweite erotische Szene, die ich in meinem Leben
geschrieben habe – und bei der ersten war ich 15. Trotzdem habe ich
mich, auch als es explizit wurde, nicht unwohl gefühlt: Es ist
schließlich bloß Sex, was gibt es gewöhnlicheres? Um ein
handwerkliches Gerüst zu haben, an dem ich mich festhalten konnte,
blieb ich bei der Dynamik einer Kampfszene, denn da fühle ich mich
sicher. Ich tauschte, bildlich gesprochen, nur die Waffen aus. Denn
ob Sex oder Kampf, die pure Handlung an sich ist für Außenstehende
langweilig. Erst durch das Drumherum wird es spannend. Leider hatte
sich dadurch auch mein alte Schwäche gemeldet: Je schneller das
Tempo einer Szene, desto langsamer schreibe ich. An besonders
frustrierenden Tagen kam gerade mal ein Satz zustande. Eigentlich ein
Wunder, dass die Geschichte trotzdem wurde.
Peter Nathschläger - "Manchmal endet es im Wahnsinn"
Frage 1 Rafael Kaminer tauchte erstmals in meinem Roman FLUCHTGEMÄLDE
auf und ich fand es schade, dass er im Universum dieses einen Buches
bleiben sollte. Er ist eine sehr komplexe Persönlichkeit und oszilliert
obszön und auf bezaubernde Weise anrüchig zwischen Sadismus und
Masochismus. Die Idee, Rafael als Indikator für die Ängste älterer
Schwule zu verwenden, die mit Rafaels Bereitschaft, beim Sex jede
gewünschte Rolle zu übernehmen, lag auf der Hand. Rafael steht
symbolisch für die nie enden wollende Begierde nach Liebe und
Zärtlichkeit, der Sucht nach dem Unmöglichen. Er steht für die Angst,
alleine im Alter zu versinken und für die Gefahr, die manche erwachsenen
Schwulen jungen, schönen Männern gegenüber empfinden, die Bereitschaft
signalisieren, sich mit ihnen einzulassen.
Weil
man selbst als Junger keinerlei Verständnis für die Avancen eines
reifen Mannes hatte, versteht man später, wenn man selbst gereift ist,
die Vorliebe mancher junger Männer nicht, genau jene reifen Männer zu
suchen, die man selbst abgelehnt hätte. Das war die Idee: Rafael ist die
Erfüllung aller erotischer Wünsche und gleichzeitig eine Todesfalle,
die in ihrem eigenen Schicksal gefangen ist und darunter leidet.
Frage 2 Überhaupt
nicht. Ich hätte es ja vielleicht sogar noch exzessiver geschrieben.
Allerdings finde ich, dass erzählte Erotik in sich stimmig sein muss und
Teil der Geschichte, also sich sozusagen folgerichtig und logisch
ergeben muss. Mit aller Banalität oder Größe, mit aller Würde oder
Würdelosigkeit, mit all ihrer Pracht und Lächerlichkeit, mit Dominanz
und Unterwerfung. Um über Erotik schreiben zu können, muss man über
Menschen schreiben können. Man muss auf Betulichkeit und Sitte und Moral
verzichten und den Mensch entblößt vor sich sehen mit all seinen
Sehnsüchten und Begierden, in all seinem Glanz und Wahn.
Da
ich immer mit einem starken Fokus auf die Menschen selbst schreibe,
kommt es auch in meinen anderen Texten immer wieder zu erotischen
Szenen, die ich genauso gerne schreibe wie alle anderen Szenen. Ich
mache da keinen Unterschied.
Nino Delia – »Fremde Betten,
fremde Bäder«
Frage 1 Eigentlich fing es an
wie so ziemlich alle meine Texte: Ich hatte irgendwann ein schönes
Bild im Kopf und habe eine kurze Szene dazu geschrieben, die dann in
der Schublade gelandet ist, weil es keinen Plot dazu gab. Ein junger
Mann geht mit einem halb Fremden nach Hause, der ihn zwar
bereitwillig mitgenommen hat, doch dann sehr abweisend ist. Das war
die fertige Szene, mir fehlte immer nur das Warum. Als ich dann die
Ausschreibung gelesen habe, fiel mir diese bereits geschriebene Szene
wieder ein. Was, wenn der Fremde ein schmutziges Geheimnis hat?
Etwas, das er nur sehr selten mit jemandem teilt? Und wieso heißt es
eigentlich immer »schmutziges Geheimnis«? Vielleicht kann es auch
was mit dem Drang nach Sauberkeit zu tun haben. Also habe ich
schlussendlich die beiden ins Badezimmer geschickt.
Frage 2 Das war zwar nicht meine
erste erotische Szene, aber ähnlich wie bei einigen anderen Autoren
auch, war es für mich das erste Mal, dass ich einen Kurztext
geschrieben habe, der sich explizit um diese Szene drehen sollte.
Wobei … so explizit bin ich eigentlich gar nicht gewesen. In meinem
Text geht es weniger um den für den Protagonisten befremdlichen Sex,
sondern mehr darum, wie er die Situation verarbeitet. Darum, was er
dabei empfindet und wie es ihn anmacht, dass dieser andere Mann seine
kuriosen Phantasien an ihm auslebt.
Thomas Pregel – »In Oberons
Reich«
Frage 1
Die Idee zu meiner Geschichte "In Oberons Reich" kam mir
indirekt, als ich den Film "Were the world mine" sah, in
dem sich eine Schultheaterproduktion an einer ziemlich homophoben
amerikanischen Schule verselbstständigt, weil die Magie des Stücks
plötzlich in die Realität einbricht und alles zum
gleichgeschlechtlichen Singen und Tanzen bringt. Ich mag den freien,
leichtfüßigen Umgang der Filmemacher mit dem alten Stoff. Als dann
die Ausschreibung für die Anthologie kam, wusste ich auch sofort,
wie ich das für mich umsetzen würde, nämlich indem ich die
Handlung (oder besser: einen Handlungsstrang) kurzerhand in ein
schwules Cruisinggebiet verlegt habe.
Frage 2
Es fällt mir grundsätzlich nicht schwer, explizite Erotik zu
schreiben und zu beschreiben. Schon mein Debütroman "Die
unsicherste aller Tageszeiten" wartet gleich mit einer ganzen
Reihe solcher Szenen auf, die zum Teil ausgesprochen heftig sind.
Wenn sie etwas Wesentliches zur Handlung beitragen, indem sie etwa
viel über das Verhalten einer Figur aussagen, sind sie genauso
wichtig wie jede andere Szene. Man darf nur keine falsche Hemmungen
haben, auch vor sich selbst nicht, sonst wird der Stil schnell
peinlich und eine solche Szene bestenfalls noch unfreiwillig komisch.
Und da mich immer niemand befragt ;-)
beantworte ich auch meine eigenen Fragen ...
J. Walther – „Fünf-Gänge-Menü“
und „Der Traum des Fischers“
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Shutterstock/Goodluz |
Frage 1 Beim Fünf-Gänge-Menü
begann es mit einer kostenlosen Fernsehzeitung, in der hinten Werbung
für ein Hotel im Harz war. Das lag im hinteren Ortsteil eines tief
im Wald gelegenen Ortes und trotz aller Bemühungen merkte man den
Bildern den „DDR-Charme“ des Objektes an. Ich dachte nur: Wer
fährt in so was? Ideen entstehen bei mir oft aus so banalen
Überlegungen. Und Phillip und Christoph kannte ich ja schon. Ich
wollte die Vertrautheit eines Paares nach einer gewissen Zeit des
Zusammenseins zeigen.
Beim Traum des Fischers waren es
natürlich die in der Ausschreibung erwähnten Tentakel, die mich
herausforderten. Ich finde den Gedanken auf einer reinen
Fantasie-Ebene nicht abstoßend und musste an das wohl bekannteste
Werk zum Thema, den japanischen Holzschnitt „Der Traum der
Fischersfrau“ denken. Aus der Frau wurde ein junger Mann und der
Rest ist Geschichte.
Frage 2 Ich finde es eine
reizvolle Herausforderung, über Sexualität zu schreiben, wobei ich
immer wieder das Realistische, Natürliche suche. Was auch weniger
aufregenden oder nicht gelingenden Sex einschließt. Standardisierte
Abläufe würden mich langweilen, es muss immer zu den Figuren und
der Situation passen. Die Abwertung von erotischen Szenen als solche,
die ich gelegentlich von Autoren oder Lesern höre, kann ich nur
schwer nachvollziehen.
Mit der Anthologiebeteiligung habe ich
mich ein bisschen geziert (s. Beitrag), was vor allen daran lag, dass
ich eine wesentlich explizit-pornografischere Darstellung für
erwünscht hielt. Mit der hätte ich mich dann doch schwer getan. Ich
bin kein Fan davon, Geschlechtsorgane in aller anatomischen
Deutlichkeit zu benennen, wenn eine Umschreibung möglich ist, die
nicht krampfhaft klingt. Keinesfalls möchte ich ins Blumige oder
Verklemmte abgleiten. Manchmal ein schmaler Grat, der einige
Anstrengung fordert. Für diese Anthologie bin ich ein bisschen
deutlicher geworden, aber ich fühle mich immer noch wohl damit, für
mich das wichtigste, wenn ich eine erotische Szene schreibe.
Zum Abschluß noch einige erhellende Einblicke von:
Ulrich Hawighorst - Herausgeber
Kannst
Du verraten, wie viele Einsendungen es gab? Nach welchen Kriterien
hast Du die Texte ausgewählt?
Es waren - diverse Nachreichungen und
verspätete Abgaben mit eingerechnet - rund 260 Texte. Und ja, die
habe ich alle gelesen.
Was die Auswahlkriterien betrifft, bin
ich einem mehrstufigen Ausschluss-Konzept gefolgt. In erster Instanz
habe ich alle Texte abgelehnt, die ganz offensichtlich nicht den
Anforderungen der Ausschreibung entsprachen. Also alle die mit
heterosexuellem und lesbischen Thema, ebenso wie
gewaltverherrlichende Beiträge, solche mit pädophiler Ausrichtung,
Texte OHNE sexuelle Komponente oder mit
problematisierendem/moralisierenden Tenor. Wir wollten ja ein Buch,
das Spaß macht und die erfüllenden, schönen Seiten der Sexualität
zeigt - und keines mit Selbstfindungskrisen oder pathologischen
Szenarien.
Im nächsten Schritt habe ich auf die
Wichtung geschaut. Sex und Erotik sollten schließlich der zentrale
Aspekt sein. Geschichten, in denen es seitenlang um die Anbahnung von
menschlicher Zweisamkeit geht, bevor dann irgendwann ganz am Ende
halt auch miteinander ins Bett gegangen wird - als krönender
Abschluss einer Odyssee quasi - sind an dieser Hürde
gescheitert. Ebenso wie jene, in denen die Hauptfigur endlos im
theoretischen darüber schwadroniert, ob sie nun schwul ist oder
nicht, ohne dass es zur Sache geht.
Danach lag mein Augenmerk darauf, ob
ich dem Autor die Geschichte abkaufe. Ob sie ins sich plausibel und
glaubwürdig ist, ob die Figuren echt und überzeugend agieren, ob
das Erzählte tatsächlich etwas auslöst. Dabei ging es nicht darum,
meine persönlichen Vorlieben zu treffen - Objektivität ist einer
der wichtigsten Bestandteile meines Jobs. Aber eine gute Story
hinterlässt immer irgendwas beim Leser. Vielleicht nur den Wunsch,
noch einmal gelesen zu werden. Das Gefühl, sich damit identifizieren
zu können. Erotische Spannung, oder schlicht den Eindruck guter
Unterhaltung.
Dann ging's eigentlich schon "ans
Eingemachte" - an die handwerklichen Fähigkeiten, das
Erzähltalent. Ich habe in keinem Stadium Perfektion von den Autoren
erwartet, aber doch ein gewisses Engagement. Routiniert
runtergeschriebener Sex ohne individuelle Note, ohne
den Hauch von Funkenflug nutzte da wenig. Und auch solide
beschriebene Klischees bleiben langweilige Allerweltsabbildungen,
egal wie hoch das sprachliche Niveau vielleicht ist. An diesem Punkt
musste ich oft entscheiden, ob handwerkliche, stilistische Defizite
in Rahmen der Zeit per Lektorat zu beheben sein würden, und an
dieser Stelle kam dann das letzte Kriterium ins Spiel: die
Bereitschaft der Autoren, mit mir an ihrem Text zu arbeiten. Bei den
meisten war das der Fall, aber es gab eben auch Bewerber, die weder
inhaltlich noch stilistisch auch nur eine Silbe an ihrem Text ändern
wollten. Was bedauerlich ist, weil sie sich auf diese Art natürlich
den Weg in die Sammlung verstellt haben, trotz guter Voraussetzungen.
Ich bin allerdings auch der Meinung, dass jeder erwachsene Mensch
ganz allein entscheiden kann und sollte, was er wirklich will. Wenn
ich jemanden auf Logiklücken und sprachliche Schwächen hinweise und
meine Unterstützung anbiete, und dann zu Antwort bekomme: "Nein,
in meiner Welt hat das so alles seine Richtigkeit und ist perfekt,
dann bringe ich es per Selfpublishing raus, meine Fans wissen, was
gut ist." - dann streite ich nicht.
Vor der finalen Entscheidung bin ich
ein paar Tage in mich gegangen und habe genau überlegt, wie die
Texte auf meiner Wunschliste zueinander passen. Wie die Durchmischung
in jedweder Hinsicht ist. Und dann habe ich mich den Kollegen vom
Verlag mit meiner Auswahl gestellt und an ein paar Stellen energisch
gestritten. Mit sehr lesenswertem Ergebnis, wie ich finde.
Gibt
es etwas, was Dir an den Einsendungen insgesamt aufgefallen ist –
waren viele besonders pornografisch oder verklemmt, gab es Themen
oder Motive, die sehr häufig auftauchten?
Aufgefallen sind mir die hohe
Quote an weiblichen Autoren und gewisse Ähnlichkeiten in
Aufbau/Spielart/Formulierung. Offenbar gibt es Idealvorstellungen
von der Anbahnung und vom Ablauf eines schwulen Coitus und
den anschließenden Orgasmen, die etliche Leute teilen. *lach*
Es gab sehr viele Geschichten, denen anzulesen war, dass es noch
ein bisschen an Reife fehlt, an eigenen Erfahrungen und an
ordentlicher Recherche. Das merkte man daran, dass an sich
gute Schreiber bei den heißen Stellen formulierungstechnisch
plötzlich heftig ins Schleudern kamen. Einerseits ist ein
einfallsreicher Ausdruck ja lobenswert - aber wir hatten nicht
umsonst darum gebeten, eine klare, unblumige Sprache zu nutzen. Ich
konnte oft zwischen den Zeilen spüren, dass die Verfasserin sich mit
"hübschen", metaphorischen Beschreibungen wohler
fühlte, weil gefühlsbetonte Romantik das eigentlich bevorzugte
Arbeitsfeld ist. Um das zu umgehen, haben viele versucht,
demonstrativ vulgär und vermeintlich "männlich" zu
schreiben und dabei dann den Draht zum eigenen Text komplett
verloren. In dem Moment, wo ich die Ratlosigkeit des Autors und sein
Unbehagen spüre, verliert die Geschichte sofort ihre
Souveränität. Phantasie ist wunderbar, und seit Ewigkeiten
sind Beschreibungen in der Literatur das Abbild der eigenen, oft
unerfüllten Träume. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, dass
Frauen über schwulen Sex schreiben - aber es darf nicht unfreiwillig
komisch wirken, und man darf nicht schon im ersten Absatz merken,
dass die Erfinderin der Geschichte keine Ahnung von Penissen
hat, und davon, was man damit macht.
Daneben habe ich gestaunt, wie viele
Bewerber sich um wirklich ausgefallene Szenarien - jaaaa, Tentakel! -
und Konstellationen bemüht haben. Da waren schon ein paar sehr
schräge Sachen dabei. Aber auch hier spiegelte sich das oben
Gesagte: Es genügt nicht, sich ein paar BDSM-Clips im Internet
anzuschauen, um dann eine anregende Geschichte über diese Spielart
zu schreiben. In meiner Ausbildung gab es eine Grundregel:
"Schreib über das, was du kennst. Über Dinge, von denen du
wirklich Ahnung hast, wo du auf Erfahrungen zurückgreifen kannst, wo
du dich tatsächlich auskennst." Natürlich kann man sich in
Zeiten von Wikipedia und youporn eine Menge Wissen aneignen. Aber oft
reicht gefährliches google-Halbwissen halt doch nicht aus, man
braucht viel Mühe und Fingerspitzengefühl, um es zu
kaschieren.
Worauf
bist Du besonders stolz, was die fertige Anthologie angeht?
Ich bin in erster Linie stolz darauf,
dass das Buch tatsächlich zustande gekommen ist - denn ursprünglich
war es ja kaum mehr als eine heitere Idee. Alle Beteiligten haben
sehr viel Zeit und Arbeit investiert, und niemand hat es sich leicht
gemacht. Von Anfang an hatte ich den Eindruck, dass jeder mit einem
sehr hohen Anspruch an die Sache herangegangen ist - was großen
Respekt verdient. Ich bin stolz darauf, dass die Autoren mit mir so
offen und kooperationsfreudig durchs Lektorat gegangen sind. Weil es
nicht selbstverständlich ist, dass man sich - nachdem der eigene
Text kräftigst gerupft wurde - wieder aufrappelt, nicht gekränkt
ist und weiter daran arbeitet. Ich bin stolz darauf, dass mit
höchstem Engagement eine Umschlaggestaltung entwickelt wurde,
die außergewöhnlich und wirklich absolut passend ist. Ich bin stolz
auf die Zusammenarbeit mit dem Verlag, gerade weil dabei
auch Meinungsverschiedenheiten erfolgreich überwunden wurden.
Und auch wenn ich bisher noch nicht so viele Rückmeldungen zum
Endprodukt bekommen habe, bin ich sehr stolz, dass unsere Sammlung
offenbar gut vom Publikum angenommen und gemocht wird. Das war das
Ziel.
Wer jetzt Lust auf die Anthologie bekommen hat, kann sie u.a. direkt beim Incubus-Verlag erwerben!