Samstag, 13. Dezember 2014

Interview mit Susann Julieva

Mit der bezaubernden Autorin Susann Julieva bin ich zuerst über einen Buchtausch (Café der Nacht gegen Benjamins Gärten) in Kontakt gekommen. Schließlich lernten wir uns auf der Buchmesse Berlin kennen, wo wir auch dieses Interview vervollständigten.
Susann Julieva schreibt Gay Romance und andere Romane auf Deutsch und Englisch, manchmal leicht und charmant, manchmal etwas düsterer - aber immer mit Happy End. Sie lebt in Süddeutschland und gehört einer verrückten Katze, die sie gerne daran erinnert, dass es neben dem Schreiben noch andere Dinge gibt. Katzenfutter zum Beispiel.
Sie veröffentlichte zuerst den in Englisch geschriebenen Roman Triangel im Selbstverlag auf dem englischsprachigen Markt. 2013 erschien ihr erster deutschprachiger Roman Café der Nacht im Dead soft Verlag. Mehr über sie unter: www.susannjulieva.de
 

Wie lange schreibst Du schon und warum hast Du damit angefangen?

Du wirst lachen, aber schon als Kleinkind habe ich Bildgeschichten gemalt, und seitdem habe ich mit dem Erzählen nie aufgehört. Ich kenne es gar nicht anders, und ein Leben ohne Schreiben wäre für mich undenkbar.

Wie lange hast Du an Deinen Romanen jeweils geschrieben?

Oh je. Ewigkeiten! Das liegt aber vor allem daran, dass ich immer wieder unterbrochen habe, weil ich lange gar nichts veröffentlichen wollte. Café der Nacht lag mehrere Jahre unvollendet in meiner Schublade, bis ich es wieder rausgezogen und komplett überarbeitet habe - gleich zwei Mal. Dafür habe ich locker ein Jahr gebraucht, bis es sich richtig und rund angefühlt hat. Jetzt, wo ich zwei Romane veröffentlicht habe und mich selbst als Autorin ernst nehme, geht es zügig voran, weil ich dranbleibe.

Deine Triangle-Serie hast Du auf Englisch geschrieben. Welchen Unterschied macht die Sprache in der Du schreibst für Dich?

Einen größeren, als man glauben sollte. Ich habe auf Englisch einen anderen Stil, frecher und emotionaler. Diese Sprache hat einen ganz anderen Fluss, man kann viele Dinge machen, die auf Deutsch nicht gehen. Nachdem ich über ein Jahrzehnt ausschließlich auf Englisch geschrieben habe, fiel es mir richtig schwer, wieder auf Deutsch etwas zu Papier zu bringen.

Wie hast Du so gut Englisch gelernt? Ich stelle es mir sehr schwer vor, in einer anderen Sprache literarisch zu schreiben.

Das mit Englisch war einfach Liebe, von Anfang an, das flog mir förmlich zu. Ich habe enge Freunde in England und Amerika, irgendwie wurde es zu einer Art zweiten Muttersprache für mich. Das ist meine emotionale Sprache, die Sprache meines Herzens, wenn man so will - und das passt ja gerade zum Schreiben.

Wie fühlt es sich an, die eigene Geschichte ins Deutsche zu übersetzen?

Echt seltsam. Gerade am Anfang ist mir das erstaunlich schwer gefallen. Die Stimmen der Figuren hörten sich so anders an.
Richtig gut gefällt mir, dass mir die Übertragung von Triangle für den Ullstein Verlag die Gelegenheit gibt, die Story noch mal mit neuen Augen zu betrachten, Dinge zu verändern. Im Prinzip schreibe ich gerade eine alternative Version der zwölf Jahre alten Originalgeschichte, und das ist richtig spannend.

Café der Nacht, Dein erster deutschsprachiger Roman, dreht sich um eine Gruppe von (Lebens)Künstlern. Welchem Genre ordnest du diesen Roman zu?

Vermarktet wird der Roman ja als "Gay Romance", doch obwohl die zarte Liebesgeschichte zwischen Maxim und Monroe darin eine zentrale Rolle spielt, wäre wohl "Drama" treffender. Eigentlich schade, dass es eine so große Rolle spielt, dass die Hauptfiguren eben schwul sind. Ich habe mich riesig gefreut, als Gay Verlage das Buch haben wollten, und fand es doch traurig, dass es nur wegen der sexuellen Orientierung der Hauptfiguren für andere Verlage nicht in Frage kam.
Es ist eine Milieustudie und ein Coming-of-Age-Roman, Maxims Weg ins Erwachsensein. Das ist vielleicht auch das Schöne daran - es gibt viele Facetten an dem Buch. Und natürlich gehören dazu auch Gefühle und die große Liebe. Die spielt bei mir immer eine Rolle.

Schön gesagt. Was hat Dich zu der Geschichte inspiriert?

Kunst und Theater liegen mir unglaublich am Herzen. Mich macht das Theatersterben echt traurig. Daher wollte ich gerne etwas zum Thema schreiben. Die eigentliche Inspiration war aber ein Online Role Playing Game um eine Künstlerkneipe während meines Studiums, das leider von kurzer Dauer war. Die Geschichten meiner Figuren waren noch nicht zu Ende erzählt, was ich sehr schade fand, weil ich sie liebte. Erst vor ein paar Jahren entschloss ich mich, ihnen ein neues Leben in einem Roman zu geben. Dean Monroe & Co. gibt es also schon ziemlich lange.

Stil und Stimmung von Café der Nacht haben einen besonderen, etwas altmodischen Zauber. Warum hast Du Dich für diese Gestaltung entschieden?

Ich wollte die Geschichte aus einer stillen Melancholie heraus erzählen, die alles durchtränkt. Wie eine Art
Märchen aus längst vergangener Zeit. Alles sollte schwingen in dem Bewusstsein, etwas Einzigartiges verloren zu haben, das unwiederbringlich scheint. Für Maxim ist das ganz zentral - er kommt nicht darüber weg, dass er seine seelische Heimat und seine große Liebe verloren hat. Ich wollte einen Traum erschaffen mit dem Café der Nacht, Maxims Traum.

Das ist Dir gelungen. Gibt es reelle Orte, die in den Roman eingeflossen sind?

Nein, und das ist ebenso bewusst geschehen. Vermutlich würde man darauf tippen, dass das Ganze in Schwabing spielt, aber die Wahrheit ist, das alte Viertel, das ich beschreibe, existiert nicht. Genauso, wie es ein solches Café nicht gibt. Es sollte eine Welt mit ganz spezieller Magie sein, von der wir uns vielleicht wünschten, sie wäre real. Ein wenig eingeflossen ist allerdings, dass mein Vater als Student in der Münchner Kabarettszene sehr aktiv war. Seine Schilderungen haben mich auf jeden Fall inspiriert.

Welche Autoren haben Deinen Stil beeinflusst?

Als Autorin wird man das oft gefragt und ich bin da immer ein bisschen ratlos. Stilistisch ähnele ich glaube ich keinem meiner Lieblingsschriftsteller. Wer mich allerdings von Aufbau und Technik her beeinflusst hat, ist Jane Austen. Vermutlich habe ich es ihr zu verdanken, dass ich es liebe, komplett verschiedene Charaktere aufeinanderprallen zu lassen.

Was hat Jane Austen an sich, dass sie heute immer noch fasziniert?

Ich denke, obwohl Jane Austen über ihre Zeit schreibt und das voller Spitzen gegen die damalige Gesellschaft, sind ihre Bücher irgendwie zeitlos. Das liegt an ihrer feinen Beobachtungsgabe und den tollen Figuren. Sie karikiert gerne, aber die Hauptfiguren zeichnet sie stets so echt und menschlich, dass man sie heute noch genau so treffen - und schreiben - könnte. Und natürlich sind die Liebesgeschichten großartig.

Was bedeutet der Wechsel vom Selbstverlegen hin zu einem Verlag für Dich?

Das war für mich ein ganz wichtiger Schritt für mein Selbstverständnis als Schriftstellerin. Ich brauchte einfach die Bestätigung: Jemand vom Fach findet mein Buch so gut, dass er es verlegen will. Dabei hat sich Triangle richtig gut verkauft und ich bekam begeistertes Feedback, damit hatte ich nie gerechnet.
Im Moment finde ich es schön, mit Verlagen zu arbeiten, aber ich kann mir gut vorstellen, auch bald wieder etwas selbst zu verlegen. Die Möglichkeiten, die es heutzutage dafür gibt, sind einfach toll.

Du hast eine entzückende Katze. Wie inspiriert sie Dich und/oder hilft Dir beim Schreiben?

Carlo macht eigentlich genau das Gegenteil - er zwingt mich ab und an zu einer Schreibpause, der kleine Frechdachs. Zur Not springt er hoch und marschiert übers Keyboard, bis ich aufgebe und ihn knuddele. Der Kleine bringt mich so oft zum Lachen!

Ist das Schreiben für Dich Hobby, Beruf oder Berufung?

Berufung und Beruf zugleich. Nach dem Abi habe ich aus Interesse (und weil ich schier nicht wusste, was ich sonst tun sollte) Philosophie studiert. Erst spät wurde mir klar, dass ich meinen Traumjob längst gefunden hatte - das Schreiben. Aber es ist hart, dass so viele von uns Schriftstellern für einen Minus-Stundenlohn arbeiten. Es war keine leichte Entscheidung, in die Teilzeit zu wechseln, um mehr Zeit fürs Schreiben zu haben. Aber mein früherer Job hat mich so ausgelaugt, dass ich nicht mehr kreativ sein konnte. Und ohne Schreiben geht es einfach nicht!


Zuletzt ist von Dir Sommer am See in Yep, warum nicht anders (Dead soft Verlag) erschienen. Was dürfen wir in nächster Zeit noch von Dir erwarten, womit bist Du beschäftigt?

Im Februar 2015 wird mein neuer Roman, Böse Jungs, bei Forever by Ullstein erscheinen. Das ist die deutsche, komplett überarbeitet Version von Triangle. Ich bin schon mächtig gespannt, wie das Buch ankommen wird. Diesmal ist es definitiv "Gay Romance".
Danach werde ich mich wohl recht bald ans nächste Manuskript setzen. Ich habe viel zu viele Ideen - da wird es schwer werden, sich für ein Projekt zu entscheiden. Vielleicht wird die Liebe darin wieder gay, vielleicht auch mal hetero. Kommt ganz auf die Figuren an, die mich anspringen. Ich freu mich jedenfalls schon darauf!


Freitag, 31. Oktober 2014

Rezension zu Großstadtgefühle von Jannis Plastargias

Jannis Plastargias legt mit Großstadtgefühle eine direkte Fortsetzung seines Debütromans Plattenbaugefühle vor. Jonas ist jetzt mit dem attraktiven liebenswerten Paul zusammen, die beiden führen eine Fernbeziehung zwischen München und Berlin. Jonas erlebt eigentlich erst jetzt mit Paul wirklich die erste Liebe, die erste Beziehung.

Jannis Plastargias zeigt mit Jonas einen sensiblen gefühlsbetonten Jungen, der sich kritisch mit der Übersexualisierung der Gesellschaft und der schwulen Szene auseinandersetzt.
Carl aus der Theatergruppe bringt seine Gefühle durcheinander. Obwohl Jonas zu Paul steht, kann er sich Carls Charme nicht entziehen, doch der hat noch eine andere Seite … Carl ist jedenfalls eine interessante ambivalente Figur.

Am Anfang des Buches gelingt dem Autor das Kunststück einer besonderen, sensiblen und völlig natürlichen Erotikszene, die wirklich hocherotisch ist. Davon hätte ich gern noch mehr gelesen, aber im weiteren Verlauf werden Erotikszenen nur noch angedeutet.

Der spezielle Jannis-Stil ist locker, frisch und angenehm zu lesen. Das Cover wirkt ebenso modern wie zeitlos und hebt sich angenehm aus der Masse ab.

Mit Großstadtgefühle gelingt Jannis Plastargias ein authentischer, gefühlvoller und zeitgemäß Roman für Jugendliche und Junggebliebene. Leider scheint es der Verlag nicht hinzubekommen, eine eBook-Ausgabe zu erstellen, man „muss“ also zur schönen Printausgabe greifen.


Mehr über den Autor im Interview
Großstadtgefühle, Roman 170 Seiten, erschienen bei Michason & May 2014


Sonntag, 26. Oktober 2014

Debüt und Abschied

Für den ersten Roman eine/r AutorIn gibt es ein eigenes Wort – Debütroman. Meiner erschien 2010 im Debütverlag. Für den voraussichtlich letzten Roman gibt es keinen eigenen Begriff. Ich kreiere also ein neues Wort – Abschiedsroman. Klingt schön, ist traurig. Nur eine Frage der Liebe ist mein Abschiedsroman.

An meinen vier Romanen habe ich lange und hart gearbeitet. Zwölf Jahre begleitet das Schreiben mich nun. Ich habe meine Berufs- und Lebensgestaltung darauf ausgerichtet.
Als ich anstrebte, meinen ersten Roman zu veröffentlichen, hatte ich natürlich gewisse Vorstellungen und Hoffnungen. Weitere Romane beim selben Verlag veröffentlichen, in der Entwicklung als Autorin gefördert und beraten zu werden. Rezensionen in (Online)Magazinen u.ä. bekommen, Literaturkritik. Mich mit anderen Autoren austauschen. Solche Dinge, soweit ich mich erinnere. Bücher verkaufen natürlich auch. Natürlich keine große Menge, das war mir auf Grund der Nischenhaftigkeit meiner Bücher klar.
Die Verlage habe ich aus verschiedenen Gründen gewechselt. Rezensionen von „offizieller“ Seite bekamen meine Romane nie.
Dafür bekam ich etwas anderes, womit ich in diesem Maß nie gerechnet hätte: Leser, die mir wunderbares Feedback gaben, die meine Texte auf verschiedenen Ebenen verstanden, schöne Rezensionen schrieben. Die mir dankten, liebe Worte schrieben, mich unterstützten! Tolle AutorInnen, mit denen ich mich austauschte, fand ich auch.

Das Bücherverkaufen – lief mal zögerlich, mal gut, mal erfreulich, dann wieder zäh. Natürlich kamen einige Verkäufe zusammen über die Jahre. Aber dass es von Roman zu Roman, wie es eigentlich logisch wäre, mehr geworden, es leichter geworden wäre, kann ich nicht behaupten.
Was ich inhaltlich erzählen wollte, was mir thematisch und stilistisch wichtig war, hat nicht immer die Resonanz gefunden, die ich mir gewünscht habe.

Der Markt hat sich in den letzten drei Jahren rasant verändert, dank eBooks und neuen Möglichkeiten des Selbstverlegens. Ich habe das als Chance gesehen und auch genutzt. So wie ich immer nach neuen Möglichkeiten Ausschau gehalten habe. Die Absatz- und Verdienstmöglichkeiten (kürzerer eBooks) machten dem Vergleich zum Roman für mich nicht aufbauender.
Aber auf dem Markt gab es auch Entwicklungen, denen ich nur schwer folgen konnte. Dinge wie Schreibstil, Schreiberfahrung, Überarbeitung, Fehlerfreiheit und Authentizität verloren an Bedeutung.

Nein, ich möchte nicht mehr für einen Stundenlohn im Cent-Bereich schreiben. Mein langsames Schreibtempo tut hier ein übriges. Ja, Schreiben ist meine Leidenschaft – aber nicht mein Hobby.

Darum habe ich mich entschlossen, keinen weiteren Roman mehr zu schreiben. Natürlich kann es sein, dass es mich irgendwann wieder rafft. Es ist nicht so, dass ich keine Ideen habe. Und ich werde weiter schreiben, Kurzgeschichten, Erzählungen - Texte, an denen man nicht jahrelang mit ungewissem Ausgang arbeitet.


Ich möchte allen danken, die mich über die Jahre unterstützt haben!


Samstag, 18. Oktober 2014

Ist "Benjamins Gärten" gay romance

Ist Benjamins Gärten eigentlich gay romance? - das fragte mich eine liebe Autorin vor einiger Zeit. Etwas überrumpelt überlegte ich kurz und antwortete dann etwas wie: Nein, eigentlich nicht. Ich schrieb es lange, bevor es "gay romance" gab.

Nun, meinte meine Gesprächspartnerin weiter, sie hatte schon länger mal überlegt, es zu lesen, aber war sich nicht sicher, ob es ein Happy end hat. Meine Antwort konnte sie da nicht beruhigen.
Nun war ich verblüfft - mir war nicht klar gewesen, dass das Label "gay romance" so eng mit einem Happy end und dem Wunsch danach verknüpft ist.

Benjamins Gärten und meine Erzählung Daniel und Ismael schrieb ich lange, bevor der Begriff "gay romance" in Deutschland aufkam. Ich orientierte mich an Werken der schwulen Literatur (Buchliste).
Vom Genre her ist Benjamins Gärten ein Coming of age-Roman, der auch eine Liebesgeschichte enthält. Phillips Bilder gehört dem selben Genre an, und hier gibt es nicht einmal eine "richtige" Liebesgeschichte, nur eine Romanze.
Auch stilistisch, inhaltlich und im Aufbau sind beide Romane weit von gay romance entfernt, denke ich.  
Im Zimmer wird es still ist zwar die Geschichte einer Liebesbeziehung, von einem typischen Liebesroman aber doch weit entfernt. Von dem berühmten HE ganz zu schweigen. Auch hier also kein gay romance in Sicht.

Nur weil die Protagonisten schwul sind, ist ein Roman nicht automatisch gay romance. Für mich ist schwul kein Genre, oft nicht einmal das Thema. Das einzige originär homosexuelle Genre ist der Coming out-Roman. 
Und Nur eine Frage der Liebe? Nun, eine klassische Liebesgeschichte definitiv. Schwul auch. Erotik auch. Trotzdem habe ich es nicht als gay romance geschrieben.
Und die Sache mit dem Happy end? Anfragen dazu beantworte ich gerne ...




Sonntag, 31. August 2014

Rezension "Der Stammbaum" von Paul Senftenberg

Paul Senftenberg setzt sich in „Der Stammbaum“ mit einem selten behandelten, aber immer noch nicht seltenem Thema auseinander.
Paul mag seine Frau sehr, fühlt sich bei ihr wohl, liebt seine Kinder, aber … Erst in seinen Dreißigern sind ihm seine Gefühle für Männer bewusst geworden, hat er sie sich eingestanden.
Vor zwei Jahren hat er Stefan kennengelernt, mit dem er sich alle 14 Tage heimlich in Wien trifft. Nun verändert der plötzliche Unfalltod von Pauls Frau alles …

Man spürt die unausgesprochene Liebe der beiden Männer zueinander, die schnell, wohl von beiden ungewollt, über die angedachte Sexbeziehung und ein freundschaftliches Verhältnis hinausgegangen ist. Ihre Beziehung, die mehr ist als für Beide praktisch, hat jedoch eine fragile Stabilität, die nicht mehr trägt, als sie ihr Gleichgewicht verliert.

Zutiefst authentisch zeigt der Autor einen Mann, den der plötzliche Tod seiner Frau und die Trauer aus der Bahn wirft. Ebenso wie ihn plötzlich die Hoffnung auf ein Leben überfällt, dessen Seite an sich er unterdrückt hat. Der titelgebende Stammbaum wird hier zum Schlüsselmoment und Symbol.

Eine unheimlich verdichtete und intensive Geschichte, konzentriert und geschliffen im Stil.

Paul Senftenberg belebt ein Literaturgenre neu – die Novelle. Heute wird schnell eine längere Erzählung oder ein Kurzroman als solche bezeichnet. Doch eine Novelle ist mehr als das, wird nicht nur durch den (geringen) Umfang gekennzeichnet. Das ist in Vergessenheit geraten, doch der Autor setzt die Merkmale einer Novelle in Könnerschaft um.

Ein Dank an den Autor und an den Verlag, der diese berührende Perle ans Licht geholt hat.

www.paulsenftenberg.at


Samstag, 16. August 2014

Autoreninterview Jannis Plastargias

Jannis ist Blogger, Autor, Herausgeber, Pädagoge, Historiker, Kulturveranstalter, Redakteur und, und, und - ein Tausendsassa. Sein erster Roman "Plattenbaugefühle" erschien 2011 in Größenwahnverlag, die Fortsetzung "Großstadtgefühle" erschien gerade bei Michason & May.
Daneben veröffentlichte er Erzählungen und Kurzgeschichten, unter anderen bei der Queer-Reihe im Größenwahnverlag ("Liebe und andere Schmerzen"), wo er als Herausgeber fungiert. Im September folgt mit Liebe/r Kim ein Briefroman.

Wir lernten uns über meine Anfrage zu einer Buchrezension kennen, Beiträge auf seinem Blog Schmerzwach, Anthologietexte und zwei Treffen folgten. Nun freue ich mich, dass Jannis mal auf meinem Blog interessante Antworten gibt.


Wie lange hast Du an Deinen Romanen/Büchern geschrieben und wie lange hat es dann bis zur Veröffentlichung gedauert?

Vielleicht beginne ich mit dem krassesten Beispiel: „Liebe/r Kim“ brauchte genau 20 Jahre vom ersten Wort bis zur Veröffentlichung. Das werde ich später noch näher erläutern.
Bei meinem ersten Roman „Plattenbaugefühle“ war es nicht ganz so lange, da lagen etwas mehr als zwei Jahre dazwischen. Am Rohentwurf hatte ich ein Dreivierteljahr geschrieben, wobei der Prozess des Schreibens sehr exzessiv war. Ich verfasste das erste Drittel innerhalb von 5-6 Wochen, das zweite Drittel innerhalb von zwei Wochen, davon zehn Tage in der Türkei (das erklärt Afyons Nationalität), das letzte Drittel brauchte erneut 5-6 Wochen. Dazwischen pausierte ich. Das Werk war also beendet: Ich schickte das Manuskript an drei oder vier Jugendbuchverlage, erfolglos – dann lernte ich bei der Buchmesse 2010 meinen Verleger Sewastos Sampsounis kennen, von da an benötigte ich noch ein Jahr und sehr viele Überarbeitungen. Daran habe ich das Schreiben gelernt.


Was bedeutet Dir am meisten beim Schreiben?

Als Kind spielte ich sehr viel Lego, ich liebte es, wenn kleine Städte entstanden. Später am PC war ich von Sim City fasziniert, da konnte man auch Städte aufbauen. Dieses Erschaffen einer großen Sache, das reizt mich sehr. Beim Schreiben kreiere ich ein neues Universum, mein eigenes kleines Universum – das macht mich glücklich! Tatsächlich ist für mich das Schreiben in erster Linie Spaß und Freude, natürlich gibt es Ausnahmen (Liebe/r Kim!).


Du hast einen besonderen Stil, er hat etwas assoziatives, schneidet Bilder und Stimmungen an … Wie beschreibst Du Deinen Stil?

Den eigenen Stil zu beschreiben ist immer etwas schwierig, das sollten besser die Leser/innen oder noch besser Literaturwissenschaftler/innen tun. Vielleicht kann ich ein paar Prinzipien nennen, die mir wichtig sind. Authentizität gehört sicherlich dazu, meine Figuren und Settings sollen echt und realistisch sein. In Plattenbaugefühle habe ich reale Vorbilder aus meinem Berufsleben genommen (natürlich anonymisiert) und versucht ihre Sprache zu benutzen. Unterhaltsam möchte ich sein, nichts finde ich schlimmer als gelangweilt zu werden – oder andere Leute zu langweilen. Jedoch möchte ich auch aufklären, selbstverständlich ohne erhobenen Zeigefinger. Mir ist es auch wichtig Phänomene aus dem modernen Leben abzubilden, Digitalisierung, moderne Lebensentwürfe, urbanes Leben.


Mit „Liebe/r Kim“ erscheint im September ein Briefroman, der sich mit einer Krebserkrankung im Jugendalter auseinandersetzt. Wie ist es, über so persönliches zu schreiben, und wo würdest Du dabei eine Grenze ziehen?

Das war so: 1992 erkrankte ich an Krebs, ein halbes Jahr verbrachte ich, mit Unterbrechungen, in der Freiburger Kinderklinik auf der Krebsstation „von Pfaundler“. So eine schwere Erkrankung und vor allem die Erfahrungen, die man in so einer Klinik macht, lassen sich nicht so einfach verarbeiten. Regelmäßige Nachuntersuchungen, eigenes Abtasten der Lymphknoten, nachts wachliegen, Angst haben, dass man erneut erkrankt ... Und dann 1994 plötzlich ein ganz schlimmer Alptraum und der Entschluss, etwas zu tun, um die Geschichte abzuschließen. Ja, ein Buch wollte ich darüber schreiben. Ich begann also 1994 damit, musste aber immer wieder aufhören, weil es noch zu nah an mir dran war. Alle Jahre wieder probierte ich weiter daran zu schreiben – und brach immer wieder ab. Im Sommer 2011 nahm ich mir dann vor, das Buch zu beenden, um es zum zwanzigsten Jubiläum zu veröffentlichen. Ich baute eine Rahmenhandlung ein, um noch mehr Distanz zu meiner Geschichte aufzubauen, es weniger „nah“ zu machen. Das funktionierte für mich ganz gut. Man darf es nicht ganz 1:1 lesen, sicherlich habe ich das eine oder andere verfälscht, damit es besser in die Geschichte passt. Aber grundsätzlich ist es, abgesehen von der Rahmenhandlung, sehr biografisch.
Es ist grundsätzlich schwieriger, über so etwas Persönliches zu schreiben, denn man braucht einen professionellen Abstand zu seinem Thema, übernimmt die Aufgabe des Autoren, nicht des alltäglichen Erzählers. Solche persönlichen Erlebnisse haben, wenn man eine „fiktive“ Geschichte draus macht, eine andere Wahrheit als die, wenn es eine Geschichte wäre, die ich Freund/innen erzähle. Ich muss der Geschichte dienen, nicht meiner erlebten Wahrheit. Und da sind dann auch Grenzen. Ich versuche niemanden zu verunglimpfen, wenn es so persönliche Geschichten sind, niemanden zu verletzen. Das ist natürlich nicht immer ganz einfach und nicht immer möglich.


Gibt es Autoren oder Bücher, die Du sehr bewunderst?

Ich erstaune Menschen immer, wenn ich erzähle, dass Philip K. Dick mein Lieblingsschriftsteller sei. Das erwarten sie eher von Autor/innen, die Science Fiction schreiben. Wobei ich mit „Berlin Utopia“ ja etwas in diese Richtung gegangen bin, ich bin da durchaus flexibel – und man kann da noch mehr von mir erwarten. Ich mag an ihm diese ungewöhnlichen Szenarien und Ideen, die er entwickelte, die selbst in der heutigen Zeit, in der viele technische Entwicklungen diese Vorstellungen möglich machen, noch immer aktuell sind. Ich mag vor allem, dass er die Themen Glauben und Religion, aber auch den Amerikanischen Traum oder Drogenmissbrauch so spannend in seine Geschichten einbettet.
Natürlich könnte ich Dutzende Autor/innen und Bücher nennen, die ich bewundere, die mich sehr inspirierten, die mich glücklich machten – oder auch tief beeindruckten und verstörten. Imre Kertesz’ „Roman eines Schicksallosen“, „Was ich liebte“ von Siri Hustvedt oder „Das große Heft“ von Agota Kristof gehören dazu. Und dann etwas ganz anderes: „Zwei an einem Tag“ von David Nicholls hat mir so viel Freude bereitet – und war auch etwas Vorbild für Großstadtgefühle. Das hat aber bisher noch niemand erkannt.


Beeinflussen Dich Filme oder Musik beim Schreiben?

Tatsächlich beeinflussen mich Filme und Musik sehr, das hast Du richtig erkannt, Jana. Einerseits hat das ja damit zu tun, dass ich moderne Phänomene in mein Schreiben einbeziehen möchte – das kann man durch Musik und Musikstile ganz einfach. Menschen, die sich damit auskennen, wissen dann: ach, alles klar, das ist die und die Szene und dies meint das und das meint dies. Ich höre ganz viel Musik beim Schreiben, da ist es nicht ganz verwunderlich, dass diese dann den Weg in die Texte findet. Filme schaue ich sehr gerne, Serien noch sehr viel lieber. Das Ding ist, dass ich an das „Samplen“ glaube, dass Kunst immer noch spannender wird, wenn man etwas damit macht, sie weiter verwertet, deswegen arbeite ich gerne mit Versatzstücken aus Filmen, Serien, Musik in meinen Texten.


Was hat Berlin an sich, dass es immer wieder inspiriert?

Nun, bei „Plattenbaugefühle“ war es eben der Kontrast zur Darmstadt-Kranichsteiner Provinz, Frankfurt war nicht weit genug weg, Hamburg kenne ich zu wenig. Ursprünglich war die Idee der Fortsetzungen von „Plattenbaugefühle“ eine andere, der zweite Teil sollte in Frankfurt spielen und den Sozialarbeiter „Aris“ als Hauptperson haben. Ich entschied mich dann aber, Jonas weiter in seinem Leben zu begleiten – und der musste nach Berlin zurück, das ging nicht anders. Bei „Berlin Utopia“ war es mehr eine Eingebung. Ich stand an einem Silvester vor Jahren auf dieser Admiralsbrücke und plötzlich wurde ich von etwas viel zu hell angestrahlt. Als ich dann von meiner Kollegin Hilke-Gesa Bußmann angefragt wurde, ob ich nicht eine Spin-Off für ihre „Weltentaucher“ schreiben möchte, fiel mir dieses Erlebnis wieder ein.
Berlin ist eine faszinierende Stadt, in die man viele Träume, Fantasien, Vorstellungen projizieren kann. Das macht sie aus, dafür ist sie da. Und nicht nur für mich, sondern für viele in Deutschland, die nach ihrer Schulausbildung oder nach dem Studium dorthin ziehen und ihr Glück suchen. Berlin trägt allerdings auch viel Potenzial des Scheiterns in sich, das macht diese Stadt so spannend. Sie ist auf der anderen Seite der einzige Meltingpot der Kulturen in Deutschland, natürlich neben Frankfurt, die unterschätzte amerikanischste Stadt Deutschlands.


Du bist auch Herausgeber von zwei Anthologien. Was reizt Dich daran, Texte dafür auszuwählen und was nervt auch an diesen Projekten?

Im nächsten Jahr kommen zwei weitere Anthologien von mir heraus, die dritte queere Anthologie und – wer hätte es gedacht – eine Frankfurt-Anthologie. Meine Ungeduld nervt immer, das vielleicht vorweg – ich möchte alle Texte möglichst schnell sammeln. Was mich reizt? Ach, ich glaube, es sind viele Dinge. Zunächst einmal gibt es ein Konzept, das ich mir ausdenke. Ich erwarte daraufhin bestimmte Texte, kriege aber ganz andere. Das heißt, ich werde immer total überrascht und das ist wie Weihnachten. Nein, besser als Weihnachten. Bevor ich anfange, kann ich also keine Idee haben, wohin der Weg führt, wie die
Anthologie am Ende aussehen wird. Das ist ganz toll! Dann macht es natürlich sehr viel Spaß mit ganz unterschiedlichen Autor/innen zu arbeiten, die so ganz andere Auffassungen vom Schreiben haben als ich, wie ich immer merke, und die ganz anders an Themen herangehen.


Ist das Schreiben für Dich Hobby, Beruf oder Berufung?

Dies sollte die einfachste Frage sein, oder? Nein, ein Hobby ist es keineswegs für mich, das wäre eine Geringschätzung. Für einen Beruf macht es zu viel Spaß und Berufung hört sich zu hochtrabend an. Hihi. Wie komme ich da jetzt wieder raus? Also, ich sehe mich und das, was ich mache, als Gesamtkunstwerk an. Das Schreiben ist ein Teil davon, genauso wie das Bloggen, der Kulturaktivismus, meine Jurytätigkeiten, meine Lesebühnen und alles andere, was ich so tue.


Wird es einen dritten Teil der Platten- und Großstadtgefühle geben? Verrätst Du etwas darüber?

Natürlich wird es einen dritten Teil davon geben! Ich schreibe gerade daran. Mir macht Jonas so viel Spaß, dass ich gerne noch Teil 3-7 schreiben möchte, mindestens. Und noch ein paar Spin-Offs. „Großstadtgefühle“ spielte ja in Berlin und München. Ich kann verraten, dass Teil 3 hauptsächlich in Berlin spielt, Jonas wird zwar das erste Mal wieder nach Darmstadt-Kranichstein zurückkehren, wo seine Eltern noch immer wohnen, ansonsten lernt er in Berlin ein neues Milieu kennen, das allerdings eher unfreiwillig. Sein bester Freund Fabian verschwindet nämlich plötzlich – und dann begibt er sich mit seinem Freund Paul zusammen auf die Suche nach ihm. Es gibt viele Verwicklungen, viele spannende Momente. Während „Plattenbaugefühle“ ein „Milieu“- und „Großstadtgefühle“ ein „Liebes“-Roman war, wird „Jonas 3“ mehr ein Krimi- oder Detektivroman. Das ist meine kleine Spielerei bei jedem einzelnen Teil, immer einen anderen Ansatz zu finden, denn der Ton und die Figuren bleiben ja größtenteils.


Sonntag, 10. August 2014

Roman erschienen

Mein vierter Roman "Nur eine Frage der Liebe" ist erschienen. Nun, zumindest als eBook. Momentan auch nur auf Amazon, dafür zum günstigen Startpreis von 2,99 €. Die anderen eBooks- Shops folgen in Kürze.

Auch das Taschenbuch ist in Vorbereitung und hier ist der Entwurf für den Buchumschlag:


Gestaltet von DaylinArt, gefällt er mir sehr und ich bin gespannt, ihn als fertiges Buch zu sehen. Denn so schön eine eBook-Veröffentlichung ist, vor allen wenn die Verkäufe so gut starten, so ist es doch noch mal etwas besonderes, das eigene Buch in den Händen zu halten.



Sonntag, 13. Juli 2014

Neuer Roman

Langsam nimmt mein vierter Roman Nur eine Frage der Liebe Formen an. 250 Seiten sind es schon, es folgen noch zwei bis drei Kapitel. Damit wird er deutlich länger als meine anderen Romane - lang jedenfalls für meine Verhältnisse.
Weiterhin lade ich jedes neue Kapitel bei fanfiktion.de hoch und die Geschichte erfreut sich gleichbleibender bzw. steigender Beliebtheit. Über 200 Leser verfolgen die Geschichte, fast 70 Reviews/Kommentare sind erschienen. Vielen Dank dafür, besonders an die fleißigen Review-SchreiberInnen!

Die Veröffentlichung des Romans plane ich für August, zuerst wird das eBook erscheinen, dass Taschenbuch folgt. Zum ersten Mal plane ich eine Romanveröffentlichung ohne Verlag, so dass alles in meinen Händen liegt.
Nun kann ich bereits das Cover präsentieren, wieder gestaltet von DaylinArt!



Mittwoch, 9. Juli 2014

queere Anthologie

Neu erschienen im Größenwahn-Verlag: Gleich Liebes, gleich ist das Essen fertig - 18 erotische Rezepte, die 2. Anthologie aus der Queer-Reihe des Verlags, herausgegeben von Jannis Plastargias. Was verbirgt sich hinter dem - nun, eigenwilligen Titel? Texte zum Thema "Genuß und Lust", zur Verbindungen von Essen und Erotik im weiteren Sinne, alle mit einem queeren Bezug.

Mit dabei sind bekannte AutorInnen wie Raik Thorstad, Justin C. Skylark, Thomas Pregel, S.A. Urban oder Silke Porath, sowie spannende Neuentdeckungen, wie Nino Delia, Devin Sumarno, Levi Frost oder Claudia Schuster!

Von mir ist die Geschichte Der Engel auf der Fensterbank enthalten. In diesem Text geht es u.a. um Genussfähigkeit, er passt also eher zum ursprünglichen Thema der Ausschreibung als zum endgültigen Titel.



Auf Lovelybooks startet eine Leserunde.
Das Buch ist u.a. hier erhältlich.
Taschenbuch, 232 S. 15,90 €
eBook 12,99 €

Nicht zu vergessen auch der Vorgänger Liebe und andere Schmerzen - 16 Herzschläge

Donnerstag, 19. Juni 2014

Buchverlosung

Da ich das eBook ein bisschen aufgefrischt habe, weil Sommer ist (immer ein guter Grund) und überhaupt weil es Freude macht, starte ich eine kleine Verlosung von Daniel und Ismael - Schwule Liebesgeschichten. Das Buch enthält eine Erzählung und vier Kurzgeschichten.

Ich verlose 1 x das signierte Taschenbuch und 3 x das eBook.

An der Verlosung teilnehmen kann man durch einen Kommentar hier unter dem Blogeintrag oder auf Facebook. Bei einem Kommentar hier die Kontaktmöglichkeit nicht vergessen. Die Verlosung läuft bis zum 26. Juni.

eBook auf Amazon

Montag, 9. Juni 2014

Autoreninterview mit Jobst Mahrenholz

Hier das zweite Autoreninterview mit meinem lieben Verlagskollegen und italophilen Gleichgesinnten.

Jobst Mahrenholz hat unter anderem als Friedhofsgärtner, Putzhilfe, Café- und Hochzeitskellner, Postbote, Barkeeper, vor allem aber als freier Künstler gearbeitet. Das Studium mit den Schwerpunkten Literatur und Kunst prägte seine Liebe zur Bildenden Kunst und zur Sprache in Schrift und Wort. Schon während einer achtjährigen Tätigkeit als leitender Rundfunkredakteur arbeitete er nebenher als freier Autor im Hörspielbereich. Seit 2009 widmet er sich ausschließlich dem Schreiben von Büchern. 2014 erschienen von ihm im Dead soft Verlag Il Gusto di Lauro - Lucas Rezepte, sowie Herzberührer, die er zuvor schon im Selbstverlag veröffentlichte. Daneben eröffnete er mit Jasper Acri - Operation "Stilles Tal" eine Krimireihe.


Wie lange schreibst Du schon und warum hast Du damit angefangen?

Ich schreibe seit meinem 13. Lebensjahr und ich glaube, in dem Alter fragt man nicht nach dem Grund – man tut es einfach. Ich war ein Einzelgänger – hatte viel Zeit für mich. Vielleicht darum.

Wie lange hast Du an Deinen Romanen geschrieben und wie oft hast Du sie überarbeitet?

Oje, ich bin langsam. An 'Luca' habe ich ein knappes Jahr geschrieben. Aber vor allem die unzähligen
Überarbeitungen waren es, die dann insgesamt über zwei daraus gemacht haben. Viel zu lang! Da gab es einiges für mich zu lernen. Beim 'Herzberührer' habe ich meinen Arbeitsstil dann komplett umgebaut, die Korrektur in den Schreibprozess eingebunden. Das hat sich bewährt und die Arbeitszeit deutlich verkürzt.

Was möchtest Du mit deinen Geschichten erreichen?

Das, was auch ich von einem guten Buch erwarte: Ich möchte entführt, zum Nachdenken angeregt oder einfach gut unterhalten werden. Wenn meine Bücher das schaffen, ist das Ziel erreicht.
Es gibt Leserinnen, (Es sind überwiegend Frauen, die meine Geschichten lesen) die mir schreiben, dass sie berührt sind, von dem, was ich da geschrieben habe. Es hat sich aber auch mal ein Italiener bei mir gemeldet, der sich in meinem 'Luca' wiedergefunden hat. Es ist unglaublich schön, das mitzubekommen.

Die beiden Lauro-Romane sind sehr umfangreich und erzählen eher ausschweifend und detailfreudig. „Jasper Acri“ hat einen gänzlich anderen Stil. Wie kommt es zu diesen Unterschieden und welcher Stil ist Dein Favorit?

Die Lauro-Romane (super Beschreibung übrigens!) sind Bücher, die ich schreiben musste. Jasper wollte ich schreiben. So erkläre ich das immer.
Im 'Luca' geht es um relevante Dinge. Ein Coming-out in Italien zum Beispiel, keine einfache Sache. Es geht um die Haltung zur Kirche, ums Verlassen sein, erwachsen werden. Ängste, Mut, Selbstfindung – das ganze Paket.
Im Jasper geht es um – nichts!
Was so natürlich nicht stimmt. Es geht um Sprache, Leidenschaft, ein großes Herz und das Recht selbstverliebt durchs Leben zu gehen. Und es geht um Emma Peel, denn Jasper ist als Hommage an meine Kindheits-Heldin gedacht. Aber Jasper ist im Gegensatz zu Luca eine Parodie.
Die Lauro-Romane sind ein Fünf-Gänge-Menue. Jasper ist die Praline für zwischendurch. So wird es vielleicht deutlich. Ich liebe sie beide gleichermaßen, auf ihre Weise.

Deine Romane spielen alle in Italien. Was verbindet Dich mit diesem Land?

Wo fange ich da an? Mit sechzehn war ich das erste Mal dort. In der Toscana. Danach war alles anders für mich. Tatsächlich habe ich mich in Deutschland noch nie so heimisch gefühlt, wie dort. Die Architektur, die Sprache, (die ich nicht beherrsche), das Klima, der Lebensrhythmus, die Gerüche und nicht zuletzt die Küche, all das 'verstehe' ich dort. Es hat was mit mir zu tun. Hier verstehe ich es nicht. Ich stehe vor einem Gebäude, sitze vor einem gefüllten Teller, spanne meinen Regenschirm auf und all das ist mir vertraut – aber ich verstehe es nicht wirklich.
Meine Adoptiv-Mutter war zu einem viertel Italienerin – vielleicht spielt das mit hinein. Aber ich glaube eher nicht. Sie war selbst nur zweimal da.

Was sollte man sich in Italien nicht entgehen lassen – irgendwelche Geheimtipps?

Die Marken! Es gibt eine kleine, alte Wassermühle in den Marken, nahe Fano, wo man von einer Familie ökologisch bekocht wird. Du sitzt da zwischen gefühlt hundert Katzen, und sie servieren dir dort sechs bis sieben Gänge. Auswählen kannst du nicht. Jeder bekommt das selbe, zur gleichen Zeit. Wein und Wasser stehen automatisch auf dem Tisch. Und wenn es auf einmal anfangen sollte zu regnen, dann sitzt du bei denen im Wohnzimmer, zwischen Büchern und Bildern und es geht weiter. Die machen dich glücklich da! Derlei Restaurants gibt es einige dort. Danach sollte man sich vor Ort erkundigen.
Und Urbino sollte man gesehen haben. Wer die Kunst der Renaissance liebt, muss nach Urbino - La Città Ideale!

Was bedeutet der Wechsel vom Selbstverleger hin zu einem Verlag für Dich?

Ich hatte großes Glück, dass der Dead soft Verlag auf mich zugekommen ist. Hinter mir lag die übliche Odyssee von Manuskripteinreichung und den darauf folgenden Absagen – wenn überhaupt. Mach es halt selbst, hab ich mir schließlich trotzig gesagt und es dann getan.
Als Simon vom Dead soft Verlag auf mich zu kam, war ich zunächst misstrauisch. Dafür war einfach zu viel passiert. Aber ich habe 'ja' gesagt.
Nun erlebe ich auf einmal – Zusammenarbeit! Das ist ganz groß. Damit hatte ich auch nicht gerechnet.
Ich bin nicht so der Einzelkämpfer-Typ. Im Team funktioniere ich gut, aber Selbstvermarktung und die dazugehörige Organisation liegen mir nicht. Der Wechsel zu Dead soft hat enorme Energien bei mir freigesetzt. Ich kann jetzt einfach arbeiten!


Erzähle doch etwas zur Covergestaltung Deiner Romane.

Im Selfpublishing machst du ja alles selbst, also auch das Cover. Da die 'Lauro-Reihe' zu Beginn nur als Ebook bei epubli erschien, habe ich markante schwarz/weiß Grafiken angefertigt, die auch auf Fingernagelgröße gut auszumachen sind. Ich komme auch ein wenig aus der Grafik, muss man dazu wissen. Als ich dann mein erstes, professionell gestaltetes Cover durch den Verlag vor mir sah, musste ich schlucken. Das war genau das, was ich wollte.
Jasper hingegen habe ich komplett selbst gestaltet. Ich bin nach wie vor künstlerisch aktiv – im Bereich Scherenschnitt. So was gibt es da zu sehen. Ich liebe das Uhren-Cover. Klar, es ist wie eine Visitenkarte für mich. Und es transportiert den Humor, der einen beim Lesen erwartet, hoffe ich zumindest.

(Die Lauro-Cover wurden von Daylinart gestaltet)

Ist das Schreiben für Dich Hobby, Beruf oder Berufung?

Es ist mein Beruf! Ich stehe morgens um neun Uhr auf und setze mich mit einem Caffè an die Arbeit. Gegen ein Uhr esse ich etwas und gegen 18 Uhr Speicher ich das letzte mal ab. Das heißt aber nicht, dass ich die ganze Zeit schreibe. Ein ganz großer Teil geht bei mir für Recherche drauf. Wenn 'Luca' im Hochsommer gegen halb sechs durch die Dämmerung geweckt wird, dann ist das so! Dann geht an dem Tag um diese Zeit die Sonne auf. 10 Jahre Nachrichtenredakteur beim Rundfunk haben so ihre Nebenwirkungen :)

Im Juni erscheint ein Neuauflage Deines Romans „Herzberührer“. Was dürfen wir dann noch in nächster Zeit von dir erwarten?

Gerade habe ich einen 50 Seiten starken Beitrag zu einer Anthlogie ins Lektorat geschickt. Dead soft plant zum 15 Jährigen Verlagsjubiläum ein Buch rauszubringen, dessen Verkaufserlös einem Coming-out-Projekt zugute kommen soll. Ein tolle Sache!
Und mit Jasper geht es weiter. 'Das Geheimnis der MS Scarpa' ist zu einem Drittel geschrieben und kommt im Sommer bei Tredition auf den Markt. Sieben Bände sind insgesamt in Planung. Dann bin ich in Italien und werde mich dort einem neuen Projekt stellen. Vage Ideen existieren schon. Italien besorgt dann den Rest.



www.jobstmahrenholz.de

Samstag, 7. Juni 2014

Verlags-Insolvenz

Der B. Gmünder Verlag ist in die Insolvenz gegangen, wie er am 28. Mai bekannt gab. Davon ist auch meine dortige Veröffentlichung Im Zimmer wird es still betroffen. Die Verlagstätigkeit soll weitergehen, trotzdem ist es für die Autoren eine unsichere Situation. Mir stellt sich zum Beispiel die Frage, ob es überhaupt noch Sinn macht, für das Buch zu werben.
 
Da ich nicht weiß, ob meine Tantiemen irgendwann ausgezahlt werden, eine Bitte: wenn jemand das Buch in gebundener Form möchte, wäre ein Bestellung direkt bei mir toll, ich habe noch einige da. Gerne natürlich auch signiert.
Ansonsten hoffe ich, dass es vielleicht irgendwann doch noch eine Chance für dieses Buch gibt.


Freitag, 9. Mai 2014

"Narben" von Paul Senftenberg

Narben ist der dritte Roman des Autors Paul Senftenberg. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Thomas, der mit seiner Mutter nach dem Tod des Vaters vom Land in die Stadt gezogen ist. Seine Mitschüler hänseln ihn und er ist noch nicht über den Verlust des Vaters hinweg.
In dieser Situation bricht er in einen leerstehenden Bungalow ein, verbringt dort seine Tage und beschäftigt sich im Garten.
Dabei wird er von einem Jungen beobachtet, über den man erst nur Bruchstücke erfährt. (Da am Anfang noch ein weiterer Junge eine Rolle spielt, ist das etwas verwirrend).

Es dauert lange, bis die beiden Jungen, Thomas und Jakob, sich überhaupt begegnen und näherkommen dann fühlt man das Sehnen zwischen ihnen mit und erwartet gespannt, dass sie die Distanz zwischen sich überbrücken.
Der Autor zeigt viel Einfühlungsvermögen für die jugendlichen Protagonisten, ihre Sehnsüchte und Probleme. Er kleidet die Geschichte in stimmungsvolle, poetische Bilder ohne Kitsch. Der Bungalow und sein Obstgarten erscheinen als ein fast traumhafter, abgeschottete Ort im Kontrast zur Schule und Elternhaus.

Ab der ersten Seite haben mich die klaren präzisen Sätze in ihren Bann gezogen. Der Stil hat etwas nüchternes, beobachtendes und findet trotzdem zu einer ganz eigenen Schönheit und Zärtlichkeit.

Wie schon bei „Eine ganz andere Liebe“ stammt das Cover-Motiv von dem Maler Martin-Jan van Santen und passt wunderbar zum Buch. Ein echter Hingucker, der sich von dem üblichen Einheitsbrei abhebt.

Wohl das intensivste, vielleicht auch das ausgereifteste Buch des Autors. Auf mehr darf man gespannt sein. 

Mehr über den Autor im Interview

Sonntag, 30. März 2014

Bücher, die beeinflussen

Auf Facebook kursiert zur Zeit ein Weitergabespiel, bei dem man 15 AutorInnen benennen soll, die einen beeinflusst haben und immer begleiten werden. Mit Begeisterung habe ich diese zusammengetragen und möchte sie hier vorstellen - nicht alle 15, hauptsächlich die, die mich in meinem Schreiben in der einen oder anderen Weise beeinflusst haben.

Jim Grimsley - Das Leben zwischen den Sternen, Dream boy
Immer wieder beeindruckt mich der klare Stil des Autors, die Sprache und die Struktur - am meisten jedoch die warmherzige, sensible Darstellung aller Charaktere.
 
Peter Hofmann - Allein die Welt dazwischen u.a.
Romane und Kurzgeschichten in einem realitätsnahem, nüchternen Stil und fein beobachtete Menschen und Situationen.

Andreas Steinhöfel - Die Mitte der Welt

Ein moderner Klassiker, poetisch, spannend und voll interessanter Charaktere. Der Stil mit Ich-Erzähler im Präsens hat mich sehr beeinflusst.
 

Waltraut Lewin - Herr Lucius und sein schwarzer Schwan u.a. (Rom-Triologie)

Die in den 70er Jahren begonnene Romtriologie ist in einem sprachlichen Stil voller eindrücklicher Bilder geschrieben, den heutige, glattgebürstete Historienromane nicht mehr bieten. Im Fokus stehen die weniger privilegierten Frauen und Männer der römischen Welt, starke Charaktere, die die Handlung der drei Bände von Rom über eine Mittelmeerinsel zurück nach Rom führen. Kaum zu glauben, dass es sich hier um den Debütroman der Autorin handelt.

M.E. Kerr - Drachen in der Nacht
Das erste Buch mit einem schwulen Nebencharakter, dass ich gelesen habe. Es gibt ein Hotel, dessen Zimmer nach Geschichten von E.A. Poe gestaltet sind - so etwas mag ich sehr. Es setzt sich daneben mit den Themen Krankheit und Tod auseinander.

E.M. Forster - Maurice

Ein Buch, das mich mit seinen Stimmungen und (Natur)bildern und seiner Sprache nachhaltig beeindruckte.

Larry Ebmeier - Spätsommer

Ein Buch, dass ich ein einer Nacht auslas, so hat es mich gefesselt. Ein Roman, der sich mit dem Thema AIDS auseinandersetzt.

Heinrich Böll - Haus ohne Hüter

Böll habe ich in jungen Jahren viel gelesen, über seinen anspruchsvollen Stil und die verschachtelte Erzählweise muss man wohl nichts mehr sagen.


 

Donnerstag, 6. März 2014

Autoreninterview mit Paul Senftenberg

In loser Folge plane ich auf meinem Blog Autorinnen und Autoren zu interviewen. Ich freue mich sehr, dass mein lieber Autorenkollege Paul Senftenberg den Anfang macht - mit einem wie ich finde sehr interessanten Interview!
Übrigens habe wir uns über den Buchtrailer von Damals ist vorbei kennengelernt.

Über den Autor

Paul Senftenberg ist ein niederösterreichischer Autor und Lehrer. Sein erster Roman (unter diesem Pseudonym) - Damals ist vorbei - erschien 2009 im B. Gmünder Verlag. Es folgte 2013 Eine ganz andere Liebe (Himmelstürmer-Verlag). In wenigen Tagen erscheint sein dritter Roman Narben ebenda.
Kontakt zum Autor: paulsenftenberg@yahoo.de
www.paulsenftenberg.at

Interview


Wann hast Du mit dem Schreiben angefangen und was hat Dich dazu gebracht?

Ich schreibe, solange ich denken kann¸ und könnte ohne Schreiben nicht sein. Meine Ideen kommen entweder aus mir selbst, meinen Gefühlen, Ängsten und Sehnsüchten, oder aus Beobachtungen aus meiner Umwelt, dem Kontakt mit anderen Menschen, aber auch mit Kunst, Fotografie, Filmen und Literatur. Ein wacher Mensch mit dem Drang zu schreiben, wird dazu immer Anregungen finden.

Was bedeutet Dir am meisten beim Schreiben?

Dass es mir gelingt, die Bilder, die mir im Kopf herumgehen, in Worte zu fassen, in Szenen, in Gespräche, die dann, wenn man sie liest, Sinn machen. Dass das alles dann zu einer Geschichte wird, die Leser nachvollziehen können. Dass die Gefühle, die ich durch meine Figuren auszudrücken versuche, die ich ihnen sozusagen mitgebe und die mitunter eine Art Eigenleben entwickeln, nachfühlbar sind. Wenn das gelingt, wenn ich beim Lesen von Sätzen und Seiten, die ich geschrieben habe, das Gefühl habe, dass das etwas Wahres, etwas Glaubwürdiges ist, dann ist mir etwas gelungen, und das macht mich dann wirklich froh.

Wie lange hast Du an deinen Romanen geschrieben?

Die Ideen gehen mir immer ziemlich lang, oft Jahre, im Kopf herum. Da gibt es dann Notizen en masse, oft auch recht genaue Planungen der Kapitel und ihrer Inhalte. Wenn ich das Gefühl habe, jetzt passt es und auch der erste Satz steht, fließt die Geschichte eigentlich recht rasch aufs Papier. Der erste Satz muss stimmig sein, ich habe einmal drei Jahre für einen ersten Satz gebraucht, aber passt er, dann habe ich in ungefähr zwei Monaten das Manuskript fertig (aber meine Bücher sind ja grundsätzlich keine allzu dicken; meistens kriege ich von Lektoren die Anregung, doch das eine oder andere Kapitel noch dazuzuschreiben, was der Tiefe der Charakterzeichnungen oft ziemlich gut tut). Jedenfalls denke ich in der Schreibphase fast nur an die Geschichte und träume auch davon - und bin dann echt erleichtert, wenn die Arbeit des Schreibens getan ist, die ich oft als extrem anstrengend empfinde.

Wie nahe sind Dir deine Figuren?

Wären sie mir nicht sehr nah, dann würde ich nicht soviel Herzblut aufwenden, um ihre Geschichten aufzuschreiben. Wobei keiner meiner Charaktere mit mir gleichzusetzen ist; aber in vielen von ihnen steckt ein kleines Stück von mir, oder ein kleines Stück von dem, wie oder was ich gern wäre, so wie von anderen Menschen natürlich auch.

Gibt es Autoren oder Bücher, die Du als Vorbilder für Dich bezeichnen würdest?

Ich liebe die Bücher von so unterschiedlichen Autoren wie John Irving, Patricia Highsmith, Gabriel Garcia Marquez, Flannery O’Connor, Josef Holub, Roald Dahl - aber sind das Vorbilder? Vielleicht die Präzision des Ausdrucks, die bewundernswerte Klarheit des Stils des schwedischen Jugendbuchautors Mats Wahl. Ich erinnere mich, dass ich als Sechzehnjähriger zu Weihnachten ein Buch von Bodo Kirchhoff geschenkt bekommen habe, seine „Mexikanische Novelle“. Das hat mir fast den Boden unter den Füßen weggezogen – was Sprache auszudrücken vermag! Ich möchte nicht überheblich klingen, aber Vieles, das als schwule Literatur herauskommt, ist mir zu platt. Faszinierende Ausnahmen stellen etwa „Ruf mich bei deinem Namen“ von André Aciman oder „Der perfekte Kellner“ von Alain Claude Sulzer dar, „Eine italienische Liebe“ und „Sein Bruder“ von Philippe Besson haben mich auch sehr berührt, die Bücher von David Leavitt und Peter Cameron stechen ebenfalls aus der Masse hervor. Ein ganz besonderes Buch ist auch Christine Wunnickes „Missouri“, die vielleicht traurigste und schönste schwule Liebesgeschichte überhaupt. Und da sind natürlich auch deine Geschichten, Jana, und das sage ich ganz ehrlich, dass ich mich auf jedes neue Buch von dir freue: diese Ruhe, diese Gelassenheit, diese Beschreibung inniger menschlicher Nähe ohne Kitsch.

Sommer, Natur, Jugendliebe, Filme … Welche Themen und Motive tauchen in Deinen Büchern noch/immer wieder auf?

Du nennst die wichtigsten, sie bilden sozusagen den Hintergrund für meine Geschichten oder haben mit Details zu tun. Mein großes Thema scheint aber die Entscheidung zwischen den Möglichkeiten zu sein, die einem das Leben bietet. Das Gedicht „The Road Not Taken“ von Robert Frost schildert dieses Dilemma auf schmerzhaft-schöne Weise: welchen Weg sollen wir einschlagen, den offensichtlicheren, leichteren, oder den „less taken“. Mein Roman „Damals ist vorbei“ schildert, wie zwei Männer versuchen, eine Entscheidung, die sie zwanzig Jahre zuvor getroffen haben, rückgängig zu machen, was nicht so einfach ist, sobald auch andere Menschen davon betroffen sind und vielleicht sogar darunter leiden. Dieses Thema, den Mut zu finden, zu sich selbst zu stehen und sich selbst treu zu sein, möglichst ohne andere allzu sehr zu verletzen, dieser „impossible dream“, wird auch der rote Faden meiner nächsten Bücher sein.

Stammen die Titel Deiner Romane von Dir oder hat dort der Verlag mitgeredet?

Ich musste schon oft Diskussionen bezüglich meiner Titel erleben. „Damals ist vorbei“ hieß zum Beispiel eigentlich „Der Friedhof der Namenlosen“, doch dieser Titel war dem Bruno Gmünder-Verlag zu düster. Bei den anderen Büchern konnte ich mich aber durchsetzen. Ich denke, dass Verlage mehr auf den Instinkt der Autoren hören sollten, denn irgendwelche Marketingideen immer wieder zu kopieren, bringt nichts als Büchertische mit total austauschbaren Büchern.

Die Cover Deiner letzten beiden Romane zeigen Gemälde von Martin-Jan van Santen, die ich sehr passend finde. Kannst Du etwas zu dem Künstler und der Wahl der Bilder sagen?

Die Auswahl der Covermotive geht in dieselbe Richtung wie die Titel, von denen ich vorhin gesprochen habe. Derzeit schauen alle skandinavischen Krimis gleich aus, und auch sehr viele schwule Bücher ähneln einander wie ein Ei dem anderen. Die Models und Motive haben dann nichts oder kaum etwas mit der Geschichte des Buches zu tun; ganz schlimm sind im Moment diese kopflosen Muskeltorsi, die in Mode zu sein scheinen. Völlig daneben empfinde ich auch leider das Cover meines Buches „Damals ist vorbei“ - diese beiden Coverboys haben mit den Charakteren im Buch absolut nichts gemein. Aber mal sehen: Das Buch ist im Moment ausverkauft, vielleicht gibt es ja in einem anderen Verlag eines Tages eine Neuauflage mit einem passenderen Cover. Was ich mich oft frage: Verstehen die Verlage nicht, dass niemand ein Buch, das so aufgemacht ist, ernst nehmen kann? … Zu Martin-Jan, einem wunderbaren niederländischen Maler: Ich bin beim Surfen im Internet durch Zufall auf seine Homepage und die tollen Gemälde gestoßen und war hin und weg: Sie zeigen Szenen, Personen, Situationen, die direkt aus meinen Geschichten stammen könnten. Wir arbeiten in diesem Sinne offenbar in zwei unterschiedlichen Medien auf einem sehr ähnlichen Level der Empfindungen. Jedenfalls habe ich ewig überlegt und mir dann ein Herz genommen und Martin-Jan eine Mail geschrieben. Er hat sofort zugestimmt, dass wir seine Bilder als Covermotive verwenden dürfen. Ich bin froh, dass ich auch den Verleger von Himmelstürmer von dieser Idee überzeugen konnte, die für den Verlag ganz neu und nicht erprobt war. „Eine ganz andere Liebe“ und „Narben“ sind ja in der Reihe „Junge Liebe“ erschienen, und ich denke, dass Martin-Jans Coverbilder, die die Stimmung der Geschichten perfekt vermitteln, sie zu einer eigenständigen Einheit in dieser Reihe machen.

Deine Romane spielen in Österreich, (wie) beeinflusst dieses Land Dein Schreiben?

Ich bin im niederösterreichischen Waldviertel geboren und lebe und arbeite in der Region des Wald- und Weinviertels. Ich kenne die Kleinstädte und Dörfer und Menschen hier, sie bilden das Umfeld für meine Geschichten. Ich kann nur beschreiben, was ich kenne, und ich denke, dass dieses genau geschilderte Setting einen Hintergrund herstellt, der die innere Glaubwürdigkeit meiner Erzählungen und ihrer Figuren unterstützt. Was ich mir in Hinblick auf deutsche Verlage wünschen würde: Dass die Art und Weise, wie hier gesprochen und geschrieben wird, das österreichische Idiom also, als gleichberechtigte sprachliche Variante des Deutschen mehr respektiert wird, als es jetzt der Fall ist. Ließe man die Lektoren so einfach schalten und walten, würden meine Figuren im Weinviertel Norddeutsch sprechen. Das sind Knackpunkte im Prozess der Lektorierung, da kämpfe ich zuweilen um jedes Wort.

Ist das Schreiben für Dich Hobby, Beruf oder Berufung?

Laut Finanzamt ein Hobby, weil, wie Du sicher weißt, damit nicht viel zu verdienen ist. Ich habe einen Brotberuf, der mir Gott sei Dank sehr viel Freude macht. Und Berufung? Das ist vielleicht zu pathetisch ausgedrückt. Ich schreibe, weil ich ohne Schreiben einfach nicht leben will und kann, und weil es mir ein unbändiges Wohlgefühl bereitet, etwas, das als vage Idee in meinem Kopf begonnen und allmählich Gestalt angenommen hat, schließlich als etwas so Herrliches wie ein fertiges Buch in Händen halten zu dürfen.

Was wäre für Dich eine Grund, mit dem Schreiben aufzuhören?

Mit dem Schreiben: keiner. Mit dem Veröffentlichen: Wenn der Kampf mit den Windmühlen der veränderten Titel und Cover und der Sprache zu nervig würde, dann schon. Ist aber im Moment Gott sei Dank nicht der Fall.

Ich mag es ja gerne, wenn Bücher mit Zitaten beginnen (das scheint aus der Mode zu kommen). „Eine ganz andere Liebe“ ist das Zitat vorausgestellt: „You have no idea what I'd give to be normal“ (Du hast keine Idee, was ich dafür geben würde normal zu sein). Warum dieses Zitat?

Das sagt eine Figur in einem X-Men-Film, ich glaube, es ist der blonde Angel; das Problem, „anders“ zu sein (in diesem Fall eben ein X-Man), macht ihm extrem zu schaffen, besonders der Umstand, dass ihn sein Vater nicht akzeptieren will, wie er einfach ist. Michael, einer der beiden Hauptcharaktere des Romans, mag Gedanken wie diesen haben. Er ist seit Kindertagen mit Anna zusammen, sie ist seine Freundin, das Leben ist so, wie es sein sollte. Und dann ist da plötzlich dieser Junge, Daniel, in den sich Michael sozusagen auf den ersten Blick verliebt. Ist es ein Wunder, dass er verwirrt ist? Und die Gleichung hetero = normal, das geistert ja immer noch in vielen Menschen herum. Für Michael ist es ein schwieriger Prozess zu akzeptieren, dass er so ist, wie er eben ist, dass er Daniel liebt und deshalb wohl schwul ist – und dass das für ihn eben das Normale und gut ist … Übrigens habe ich „Narben“ ein Zitat aus John Irvings Roman „In einer Person“ (darin geht es um einen bisexuellen Mann) vorangestellt: „Nicht jeder hier versteht Menschen wie uns.“

Am 15. März erscheint Dein neuer Roman „Narben“. Bist Du schon mit einem neuen Projekt beschäftigt? Was können wir als nächstes erwarten?

Voraussichtlich Ende April/Anfang Mai soll die Novelle „Der Stammbaum“ im Verlag Homo Littera herauskommen, das ist mein literarisch bislang anspruchsvollster Text. Für nächstes Jahr ist im selben Verlag „Die Hände meines Freundes“ geplant, ein Roman, der weiter ausholt und die Entwicklung seiner Protagonisten in Bezug auf ihr Sich-Einlassen auf echte Liebe nachvollzieht. Und noch ein zweites Buch wird wahrscheinlich im kommenden Jahr herauskommen, etwas für mich ganz Neues, in dem ich meine beiden Leidenschaften, die Literatur und den Film, zu verbinden versuche; an diesem Projekt arbeite ich aber noch. Dass diese Bücher jetzt in so rascher Abfolge erscheinen, hat den Grund, dass die meisten Manuskripte lange Jahre in der Schublade lagen und kein Verlag sich dafür zu interessieren schien. Und dann, als ich schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, ging alles Schlag auf Schlag. Das macht mich sehr glücklich.

Samstag, 1. März 2014

Verlosung "Phillips Bilder"

Verlosung die Zweite - nach Benjamins Gärten vergebe ich nun drei signierte Taschenbücher von Phillips Bilder!

Die Preisfrage: Welche vegetarischen Gerichte kocht David im Buch? (Die Rezepte sind etwas versteckt auf meiner Homepage www.janas-seiten.de zu finden.)

Die Antwort könnt Ihr bis zum 12. März senden an: benjamins.gaerten@gmx.net

Mitmachen kann natürlich jede/r - ich wünsche viel Erfolg!

Der Roman ist eine indirekte Fortsetzung meines Debütromans Benjamins Gärten, erzählt aber eine eigenständige Geschichte:
Eigentlich soll Phillip eine Ausbildung zum Fotografen bei seinem Vater beginnen. Er würde zwar lieber studieren aber reicht sein Talent dafür? Er geht der Entscheidung aus dem Weg und macht es sich bei Freunden in der Hängematte bequem. Dort trifft er den attraktiven, ungezwungenen Seth. Phillip stürzt sich in eine leidenschaftliche Affäre, aber Seth bewahrt lieber seine Geheimnisse. Und dann sind da noch seine Gastgeber Benjamin und David, die auf Phillip schon lange eine starke Anziehungskraft ausüben ...