Raik wurde 1980 in Osnabrück geboren und lebt heute mit Hunden und Mann in Emmerich am Rhein.
Nach Veröffentlichungen auf der Plattform Fanfiktion erschien 2011 der erste Roman Leben im Käfig. Es folgten Zenjanischer Lotus (Incubus Verlag 2012) sowie Nach der Hölle links 2013 in selben Verlag. Weitere Romane: Zerrspiegel (Cursed Verlag 2014), 3517 Anno Domini - Wir waren Götter (Incubus Verlag 2014) sowie Kurzgeschichten ind diversen Anthologien.
Wie hast Du damals den Schritt von der Veröffentlichung auf einem Online-Portal hin zur ersten
Verlagsveröffentlichung empfunden?
Als sehr merkwürdigen Vorgang. Beim ersten Verlagskontakt
war ich nicht nur vollkommen von den Socken, sondern auch sehr von dem Gedanken
gesteuert, dass dies meine einzige Chance sein würde, mein Buch – Leben im
Käfig – zu veröffentlichen. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, irgendwann in
einen Copyshop zu marschieren und mir selbst ein gebundenes Exemplar zuzulegen.
Nur, um es mal gedruckt zu sehen. Daher war der Gedanke, dass ernsthaft ein
Verlag an mir Interesse haben sollte, sehr abwegig und irgendwie „zu groß“ für
mich. Und natürlich war es auch eine Umstellung, als ich auf einmal für den
Cursed Verlag „alleine“ – das heißt, ohne die Unterstützung der Leser auf dem
Online-Portal – schreiben musste.
Aus damaliger Sicht war das Schlimmste sicherlich,
irgendwann die Augen zu öffnen und festzustellen, dass selbst die
rudimentärsten Verlagspflichten nicht erfüllt wurden und dadurch mein Buch arg gelitten
hat. Aber ich kann das nicht allein dem Verlag anlasten. Ich bin da ja auch
blauäugig reingelatscht, nech? Aus heutiger Sicht empfinde ich den Schaden, den
FWZ im Genre angerichtet hat, als schlimmer. Das Vertrauensverhältnis zwischen
Autoren und Verlag wurde schon arg erschüttert.
Habe ich das denn überhaupt? Da bin ich mir gar nicht so
sicher. Ich glaube persönlich, dass man Schreiben meiner Ansicht nach in erster
Linie durch Praxis, Rückmeldung und durch zeitlichen Abstand zu den eigenen
Arbeiten lernt. Sicher auch dadurch, selbst viel zu lesen. Darüber hinaus bin
ich ein Stück weit überfragt, weil ich den Prozess des Lernens bei mir nicht
als abgeschlossen betrachte. Und ich weiß auch gar nicht, ob man ihn
tatsächlich abschließen KANN.
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Das erste größere
Projekt müsste tatsächlich eine Fanfiction gewesen sein. Alle Langzeitprojekte,
die vorher begonnen wurden, habe ich entweder irgendwann frustriert in den
Mülleimer befördert oder liegen noch unvollendet auf meiner Festplatte.
Es gibt allerdings eine Menge frühe Kurzgeschichten von
mir, irgendetwas von einem Wattwurm namens Tom und ein Märchen um Mont St.
Michel. Das sind quasi Frühwerke, die bis heute eifersüchtig von meiner Mutter
gehütet werden. *g*
Als Stichpunkte fallen mir spontan Lynn Flewelling und
die Autoren der frühen DSA-Romane ein. Denn die haben schon in den frühen Neunzigern
LGBT-Charaktere mit größter Selbstverständlichkeit in ihre Fantasy-Romane
eingeflochten. Als Teil von Projekten, die gar nicht auf Homosexualität
fokussieren, aber sie eben doch „in sich“ tragen und daraus etwas ganz
Entspanntes machen.
Um den Rahmen nicht zu sprengen, werfe ich dann noch
einfach ein paar Namen in den Raum: Terry Pratchett, Susan E. Hinton, Walter
Moers, Michael Ende, Rebecca Gablé, H.P. Lovecraft, Tad Williams, J. R. R.
Tolkien, Anne Rice, Larry Ebmeier, Jane Yolen, Madeleine L’Engle, Scott O‘ Dell
…
Puh, es ufert aus, je länger ich zum Bücherregal schaue.
Sagen wir: Es haben viele Bücher Spuren hinterlassen, und
damit auch ebenso viele Autoren. Es beginnt irgendwo bei meinen geliebten
Kinderbüchern und endet bei Neuentdeckungen. Ich bin ein Vielfraß.
Der Vorteil beim Roman ist für mich ganz klar die
umfangreiche Weltenschaffung. Ich versuche, einen Sog entstehen zu lassen, der
den Leser mit in die Welt nimmt, in der ich mich gerade bewege. Das ist etwas,
was ich beim Lesen selbst sehr liebe und entsprechend versuche ich es auch in
meine eigenen Bücher einzubauen. Man bindet sich langfristig an Charaktere
und/oder ein Universum und kann sich darin ein Stück weit Zuhause fühlen. Das
hat allerdings den Nachteil, dass ich selbst oft innerlich an Grenzen des
emotional Zumutbaren stoße. Für mich und auch für die Leser.
Das ist bei Kurzgeschichten wieder ganz anders. Ich
finde, gerade Schmerz oder Grausames lässt sich unglaublich gut in kürzeren
Geschichten transportieren. Außerdem lässt sich mit Kurzgeschichten für mich
weit besser experimentieren. Neue Sichtweisen, ein anderer Stil, ein anderer
Ansatz. Häufig auch einfach eine Botschaft, die auf 10 Seiten deutlicher
hervortritt, als wenn sie in 800 Seiten versteckt wäre.
Der Nachteil der Kurzgeschichten ist dann aber auch
wieder der Vorteil der Romane: Man kann nicht in dem Leseuniversum verweilen,
sondern wird wieder herausgeschleudert, bevor man sich dort heimisch fühlen
kann – was wiederum bei vielen Kurzgeschichten auch besser so ist. Gerade, wenn
es unter die Haut geht.
Da muss ich das Pferd von hinten aufzäumen: Erst einmal
ist es so, dass ich so gut wie alle Genres selbst lese. Für mich gibt es daher
nicht so etwas wie ein „Lieblingsgenre“. Weder als Autor noch als Leser. Es
gibt sicher Phasen, in denen ich erst viel Fantasy lese/schreibe und dann auf
einmal wochenlang Historien-Schlagseite bekomme. Aber ich bevorzuge nichts. Das
wäre für mich, als würde ich täglich ins Restaurant wandern und jedes Mal
Schnitzel bestellen, obwohl ich auch Sushi, Pasta oder Grünkohl haben könnte.
Verbindend ist für mich immer die Liebe zur Geschichte an
sich. Ich muss sie in mir haben, sie vor mir sehen, und da ist es nicht
wichtig, ob ich mich in Hamburg bewege oder in einer Fantasy-Welt. Sie muss für
mich real sein – und das ist sie
während des Schreibens auch.
Da gibt es sehr große Unterschiede. Alle meine bisherigen
Gegenwartsromane hatten den Vorteil, dass sie sich aus einem bereits
vorhandenen Wissenspool bedienen konnten. Ich habe mich da also nicht
hingesetzt und überlegt, was ein interessantes Thema sein könnte und mir
anschließend Wissen herangeschafft, sondern habe auf das aufgebaut, was ich
früher schon gelernt oder selbst erlebt habe.
Ähnlich ist es bei meinem antiken Langzeit-Projekt. Da
schreibe ich auch über eine Zeit, über die ich vorher schon viel Fachwissen
gehortet hatte. Allerdings kommen hier zwei Besonderheiten hinzu: widersprüchliche
historische Quellen und in einem Fall vollständig fehlende Quellen. Das macht
die tiefere Recherche zu einer ziemlich chaotischen Angelegenheit, die mich
schon einige Haarbüschel, viel Zeit und etlichen Touren zu verschiedensten
Ausgrabungen und Museen gekostet hat.
Allgemein ist es natürlich so, dass Recherche zu
historischen Themen immer schwieriger wird, je weiter sie zurückgehen. Das Alte
Rom ist nun sehr gut protokolliert, die alten Germanen aber so gar nicht. Da
ist es schon sehr viel leichter, im England von 1832 herumzustöbern.
Die Recherche in Sachen Fantasy ist eine eher eigenartige
Sache, muss ich sagen. Denn im Grunde muss ich die Hintergrundwelt, über die
ich schreiben will, ja erst einmal selbst aufbauen. Ich kann keine Karten aus
der Bibliothek holen und auch keine Mails an Freunde mit Fachwissen schicken. Ich
muss praktisch mit Pinsel und Vermessungsgerät losziehen und meine eigene Welt
ausgraben.
Ganz allgemein kann ich sagen: Ich suche mir immer
Themen, die mich selbst interessieren, und versumpfe dann praktisch in der
Recherche. Museen, Englandbesuche, Gebäudebegehungen, Nachfragen bei
Universitäten, die Suche nach Fachbüchern – gern auch sehr alten - und Karten,
Dokumentationen, soweit es sie gibt, und natürlich immer wieder meine armen
Mitmenschen, die ich aus diesem oder jenem Grund löchere.
Wie oben schon erwähnt: Die sogenannten Germanen machen
einem wirklich das Leben schwer. Es gibt von ihnen keinerlei Quellen aus erster
Hand. Alle schriftlichen Zeugnisse stammen von anderen und sind in weiten
Teilen entweder von oben herab verfasst oder schlicht Propagandamaterial. Es
gibt da ein schönes Zitat aus einem Buch über die Germanen, das besagt, dass
wir nicht einmal genau wissen, wer
die Germanen eigentlich waren, geschweige denn, dass wir in der Lage wären zu
erkennen, was genau jetzt germanisch ist
oder nicht. Das trifft die Sache ziemlich gut.
Was die Schnitzer angeht, muss man wahrscheinlich meine
Leser fragen. *g* Aber ich habe schon einmal das Kolosseum um 70 Jahre nach
vorn verpflanzt – das war mir ja sowas von peinlich … - und den Römern
Asterix-like rote Umhänge verpasst. Gott sei Dank habe ich eine fähige
Archäologin im Freundeskreis, die mich darauf hingewiesen hat, dass die Römer
um Null zwar Purpur wasserfest färben konnten, aber noch nicht das klassische
Rot, wie wir es heute oft in Filmen sehen. Rot ist ihnen beim ersten Regen aus
dem Stoff gelaufen, und SO pink sollte der Roman dann wirklich nicht werden. ;)
Sie springen mich an, fürchte ich. Meistens beginnt es
mit einer einzelnen Fragestellung. „Was wäre, wenn wir es wirklich schaffen,
unsere Erde so zu versauen, dass nur noch Leben auf dem Meer möglich ist?“ „Was
wäre, wenn die aktuelle Entwicklung weitergeht und die Schneise zwischen den
Reichen, die Zugang zur Technologie haben, und den Armen noch weiter aufreißt?“
„Wieso erzählt eigentlich niemand die Geschichten der Fantasy-Charaktere, die
im Computerspiel und im Film als erstes über die Klinge springen?“ „Wie war es
wohl nach dem Tod von Edward II. als schwuler Mann in England zu leben?“ „Wie
sind Menschen im 19. Jahrhundert mit Problemstellung XY umgegangen?“
Danach entstehen Anfang und Ende, als nächstes Gesichter
und Wesensarten. Dann kommt das „Ich muss doch mal nachschauen, ob …“-Gefühl in
mir auf und der Rest ist dann im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte.
Ja, „Opiumschwaden“ ist schon beim Lektor auf dem
Schreibtisch.
Die Geschichte spielt in England um 1843 bzw. wird die
Geschichte um diese Zeit erzählt. Wir haben es mit einem Ich-Erzähler zu tun,
der von Ereignissen berichtet, die 11 Jahre vorher stattgefunden haben und aus
Gründen, die ich hier noch nicht verraten will, zur Flucht aus seiner Heimat
geführt haben. An der Stelle merkt man sicher, dass ich zuletzt viel mit alten
Gruselgeschichten zu tun hatte – die berühmte Geschichte in der Geschichte. ;)
Der Name des Erzählers, der fein säuberlich alles
aufschreibt, ist Benjamin Underwood. Er ist ein Rechtanwaltsgehilfe in London
und wird von seinem Arbeitgeber auf eine Reise nach Plymouth geschickt. Auf dem
Rückweg erleidet die Kutsche in Dartmoor einen Achsenbruch, sodass Benjamin und
der Kutscher dort stranden. Hilfe finden sie in einem winzigen Dorf, in dem man
sie aufpäppelt. Nicht ganz uneigennützig, wie sich herausstellt, denn der
Dorfvorsteher bittet Benjamin gleich am nächsten Tag um Hilfe: Auf einer
Lichtung hinter dem Dorf liegt ein Toter, und die Hilfe aus Exeter, nach der
man geschickt hat, noch weit. Die Angst geht in St. Audrey um, und Benjamin hat
nicht das Herz, die Leute im Stich zu lassen. Bei seinen Ermittlungen trifft er
auf einen jungen Einsiedler, der einige Komplikationen auslöst und nicht
zuletzt Benjamin in Schwierigkeiten bringt. Denn zuhause wartet seine schwangere
Ehefrau auf ihn, die sicher gar nicht begeistert wäre, wenn sie wüsste, wie
sehr Ben sich zu dem „Verrückten vom See“ hingezogen fühlt …
Alles in allem: Wir haben Historie, wir haben einen
Krimi, wir haben ein düsteres Moor, wir haben einen Mörder, wir haben einen
innerlich zerrissenen Mann und wir haben einen Einsiedler, der nicht ganz bei
Verstand ist, aber von dem sich doch viel lernen lässt.
Den Rest müssten die Leser schon selbst rausfinden. ;)
Ich habe eine Menge in der Planung. Fest steht neben
„Opiumschwaden“, dass ein neuer Roman von mir beim Cursed Verlag erscheinen
wird. Über den darf ich aber noch nicht so viel erzählen. Nur, dass es tatsächlich
ein Gestaltwandler-Roman wird. (Ich kann’s selbst fast nicht fassen. *lach*)
Dann kommt früher oder später „Das Würfelspiel der
Götter“. Da habe ich jetzt schon ein bisschen Angst vor. Ich habe mich nämlich
noch nicht getraut, auf die Wortzahlen zu schauen und wir sind jetzt schon bei
80 Kapiteln. Und natürlich der zweite und dritte Band der Sunda-Trilogie,
„Zenjanisches Feuer“ und „Zenjanische Asche“.
Das sind die nächsten vier, die ich theoretisch auf der
Uhr habe. Wie es am Ende wirklich kommt, ist eine ganz andere Sache. Wie oben
schon erwähnt, gerate ich beim Schreiben in „Phasen“. Kann daher also
passieren, dass mich ein Contemporary-Roman anspringt, der unbedingt vorher
geschrieben werden will. Oder ein Kochbuch. Wer weiß es schon? ;)
Interessantes Interview. Mir gefällt besonders an der Autorin, dass sie nicht so kopflastig an ihre Projekte herangeht. Sie scheint es im Bauch und im Herzen zu tragen. Das finde ich wunderbar. Ihren Zerrspiegel habe ich schon dreimal gelesen.
AntwortenLöschenJa, aber ich bin sicher, dass da auch ganz viel Nachdenken dahintersteht. Die Bücher taugen auf alle Fälle zum mehrmals lesen, da sie viel Substanz haben!
AntwortenLöschenLG Jana
Liebe Jana, auf alle Fälle. So sehe ich das auch. Das sollte meine Aussage nicht ausgrenzen. Mir fällt das “Feuer“ auf, welches in ihr zu sein scheint. LG Uta <3 (Diesmal vergesse ich nicht meinen Gruß.)
AntwortenLöschenAch, die liebe Uta :-) Ja, stimmt - "Feuer" ist gut gesagt, oder Leidenschaft ...
AntwortenLöschenLG Jana