In loser Folge plane ich auf meinem Blog Autorinnen und Autoren zu interviewen. Ich freue mich sehr, dass mein lieber Autorenkollege Paul Senftenberg den Anfang macht - mit einem wie ich finde sehr interessanten Interview!
Übrigens habe wir uns über den Buchtrailer von Damals ist vorbei kennengelernt.
Über den Autor
Paul Senftenberg ist ein niederösterreichischer Autor und Lehrer. Sein erster Roman (unter diesem Pseudonym) - Damals ist vorbei - erschien 2009 im B. Gmünder Verlag. Es folgte 2013 Eine ganz andere Liebe (Himmelstürmer-Verlag). In wenigen Tagen erscheint sein dritter Roman Narben ebenda.
Kontakt zum Autor: paulsenftenberg@yahoo.de
www.paulsenftenberg.at
www.paulsenftenberg.at
Interview
Wann hast Du mit dem Schreiben
angefangen und was hat Dich dazu gebracht?
Ich schreibe, solange ich denken kann¸
und könnte ohne Schreiben nicht sein. Meine Ideen kommen entweder
aus mir selbst, meinen Gefühlen, Ängsten und Sehnsüchten, oder aus
Beobachtungen aus meiner Umwelt, dem Kontakt mit anderen Menschen,
aber auch mit Kunst, Fotografie, Filmen und Literatur. Ein wacher
Mensch mit dem Drang zu schreiben, wird dazu immer Anregungen finden.
Was bedeutet Dir am meisten beim
Schreiben?
Dass es mir gelingt, die Bilder, die
mir im Kopf herumgehen, in Worte zu fassen, in Szenen, in Gespräche,
die dann, wenn man sie liest, Sinn machen. Dass das alles dann zu
einer Geschichte wird, die Leser nachvollziehen können. Dass die
Gefühle, die ich durch meine Figuren auszudrücken versuche, die ich
ihnen sozusagen mitgebe und die mitunter eine Art Eigenleben
entwickeln, nachfühlbar sind. Wenn das gelingt, wenn ich beim Lesen
von Sätzen und Seiten, die ich geschrieben habe, das Gefühl habe,
dass das etwas Wahres, etwas Glaubwürdiges ist, dann ist mir etwas
gelungen, und das macht mich dann wirklich froh.
Wie lange hast Du an deinen Romanen
geschrieben?
Die Ideen gehen mir immer ziemlich
lang, oft Jahre, im Kopf herum. Da gibt es dann Notizen en masse, oft
auch recht genaue Planungen der Kapitel und ihrer Inhalte. Wenn ich
das Gefühl habe, jetzt passt es und auch der erste Satz steht,
fließt die Geschichte eigentlich recht rasch aufs Papier. Der erste
Satz muss stimmig sein, ich habe einmal drei Jahre für einen ersten
Satz gebraucht, aber passt er, dann habe ich in ungefähr zwei
Monaten das Manuskript fertig (aber meine Bücher sind ja
grundsätzlich keine allzu dicken; meistens kriege ich von Lektoren
die Anregung, doch das eine oder andere Kapitel noch dazuzuschreiben,
was der Tiefe der Charakterzeichnungen oft ziemlich gut tut).
Jedenfalls denke ich in der Schreibphase fast nur an die Geschichte
und träume auch davon - und bin dann echt erleichtert, wenn die
Arbeit des Schreibens getan ist, die ich oft als extrem anstrengend
empfinde.
Wie nahe sind Dir deine Figuren?
Wären sie mir nicht sehr nah, dann
würde ich nicht soviel Herzblut aufwenden, um ihre Geschichten
aufzuschreiben. Wobei keiner meiner Charaktere mit mir gleichzusetzen
ist; aber in vielen von ihnen steckt ein kleines Stück von mir, oder
ein kleines Stück von dem, wie oder was ich gern wäre, so wie von
anderen Menschen natürlich auch.
Gibt es Autoren oder Bücher, die Du
als Vorbilder für Dich bezeichnen würdest?
Ich liebe die Bücher von so
unterschiedlichen Autoren wie John Irving, Patricia Highsmith,
Gabriel Garcia Marquez, Flannery O’Connor, Josef Holub, Roald Dahl
- aber sind das Vorbilder? Vielleicht die Präzision des Ausdrucks,
die bewundernswerte Klarheit des Stils des schwedischen
Jugendbuchautors Mats Wahl. Ich erinnere mich, dass ich als
Sechzehnjähriger zu Weihnachten ein Buch von Bodo Kirchhoff
geschenkt bekommen habe, seine „Mexikanische Novelle“. Das hat
mir fast den Boden unter den Füßen weggezogen – was Sprache
auszudrücken vermag! Ich möchte nicht überheblich klingen, aber
Vieles, das als schwule Literatur herauskommt, ist mir zu platt.
Faszinierende Ausnahmen stellen etwa „Ruf mich bei deinem Namen“
von André Aciman oder „Der perfekte Kellner“ von Alain Claude
Sulzer dar, „Eine italienische Liebe“ und „Sein Bruder“ von
Philippe Besson haben mich auch sehr berührt, die Bücher von David
Leavitt und Peter Cameron stechen ebenfalls aus der Masse hervor. Ein
ganz besonderes Buch ist auch Christine Wunnickes „Missouri“, die
vielleicht traurigste und schönste schwule Liebesgeschichte
überhaupt. Und da sind natürlich auch deine Geschichten, Jana, und
das sage ich ganz ehrlich, dass ich mich auf jedes neue Buch von dir
freue: diese Ruhe, diese Gelassenheit, diese Beschreibung inniger
menschlicher Nähe ohne Kitsch.
Sommer, Natur, Jugendliebe, Filme …
Welche Themen und Motive tauchen in Deinen Büchern noch/immer wieder
auf?
Du nennst die wichtigsten, sie bilden
sozusagen den Hintergrund für meine Geschichten oder haben mit
Details zu tun. Mein großes Thema scheint aber die Entscheidung
zwischen den Möglichkeiten zu sein, die einem das Leben bietet. Das
Gedicht „The Road Not Taken“ von Robert Frost schildert dieses
Dilemma auf schmerzhaft-schöne Weise: welchen Weg sollen wir
einschlagen, den offensichtlicheren, leichteren, oder den „less
taken“. Mein Roman „Damals ist vorbei“ schildert, wie zwei
Männer versuchen, eine Entscheidung, die sie zwanzig Jahre zuvor
getroffen haben, rückgängig zu machen, was nicht so einfach ist,
sobald auch andere Menschen davon betroffen sind und vielleicht sogar
darunter leiden. Dieses Thema, den Mut zu finden, zu sich selbst zu
stehen und sich selbst treu zu sein, möglichst ohne andere allzu
sehr zu verletzen, dieser „impossible dream“, wird auch der rote
Faden meiner nächsten Bücher sein.
Stammen die Titel Deiner Romane von Dir
oder hat dort der Verlag mitgeredet?
Ich musste schon oft Diskussionen
bezüglich meiner Titel erleben. „Damals ist vorbei“ hieß zum
Beispiel eigentlich „Der Friedhof der Namenlosen“, doch dieser
Titel war dem Bruno Gmünder-Verlag zu düster. Bei den anderen
Büchern konnte ich mich aber durchsetzen. Ich denke, dass Verlage
mehr auf den Instinkt der Autoren hören sollten, denn irgendwelche
Marketingideen immer wieder zu kopieren, bringt nichts als
Büchertische mit total austauschbaren Büchern.
Die Cover Deiner letzten beiden Romane
zeigen Gemälde von Martin-Jan van Santen, die ich sehr passend
finde. Kannst Du etwas zu dem Künstler und der Wahl der Bilder
sagen?
Die Auswahl der Covermotive geht in
dieselbe Richtung wie die Titel, von denen ich vorhin gesprochen
habe. Derzeit schauen alle skandinavischen Krimis gleich aus, und
auch sehr viele schwule Bücher ähneln einander wie ein Ei dem
anderen. Die Models und Motive haben dann nichts oder kaum etwas mit
der Geschichte des Buches zu tun; ganz schlimm sind im Moment diese
kopflosen Muskeltorsi, die in Mode zu sein scheinen. Völlig daneben
empfinde ich auch leider das Cover meines Buches „Damals ist
vorbei“ - diese beiden Coverboys haben mit den Charakteren im Buch
absolut nichts gemein. Aber mal sehen: Das Buch ist im Moment
ausverkauft, vielleicht gibt es ja in einem anderen Verlag eines
Tages eine Neuauflage mit einem passenderen Cover. Was ich mich oft
frage: Verstehen die Verlage nicht, dass niemand ein Buch, das so
aufgemacht ist, ernst nehmen kann? … Zu Martin-Jan, einem
wunderbaren niederländischen Maler: Ich bin beim Surfen im Internet
durch Zufall auf seine Homepage und die tollen Gemälde gestoßen und
war hin und weg: Sie zeigen Szenen, Personen, Situationen, die direkt
aus meinen Geschichten stammen könnten. Wir arbeiten in diesem Sinne
offenbar in zwei unterschiedlichen Medien auf einem sehr ähnlichen
Level der Empfindungen. Jedenfalls habe ich ewig überlegt und mir
dann ein Herz genommen und Martin-Jan eine Mail geschrieben. Er hat
sofort zugestimmt, dass wir seine Bilder als Covermotive verwenden
dürfen. Ich bin froh, dass ich auch den Verleger von Himmelstürmer
von dieser Idee überzeugen konnte, die für den Verlag ganz neu und
nicht erprobt war. „Eine ganz andere Liebe“ und „Narben“ sind
ja in der Reihe „Junge Liebe“ erschienen, und ich denke, dass
Martin-Jans Coverbilder, die die Stimmung der Geschichten perfekt
vermitteln, sie zu einer eigenständigen Einheit in dieser Reihe
machen.
Deine Romane spielen in Österreich,
(wie) beeinflusst dieses Land Dein Schreiben?
Ich bin im niederösterreichischen
Waldviertel geboren und lebe und arbeite in der Region des Wald- und
Weinviertels. Ich kenne die Kleinstädte und Dörfer und Menschen
hier, sie bilden das Umfeld für meine Geschichten. Ich kann nur
beschreiben, was ich kenne, und ich denke, dass dieses genau
geschilderte Setting einen Hintergrund herstellt, der die innere
Glaubwürdigkeit meiner Erzählungen und ihrer Figuren unterstützt.
Was ich mir in Hinblick auf deutsche Verlage wünschen würde: Dass
die Art und Weise, wie hier gesprochen und geschrieben wird, das
österreichische Idiom also, als gleichberechtigte sprachliche
Variante des Deutschen mehr respektiert wird, als es jetzt der Fall
ist. Ließe man die Lektoren so einfach schalten und walten, würden
meine Figuren im Weinviertel Norddeutsch sprechen. Das sind
Knackpunkte im Prozess der Lektorierung, da kämpfe ich zuweilen um
jedes Wort.
Ist das Schreiben für Dich Hobby,
Beruf oder Berufung?
Laut Finanzamt ein Hobby, weil, wie Du
sicher weißt, damit nicht viel zu verdienen ist. Ich habe einen
Brotberuf, der mir Gott sei Dank sehr viel Freude macht. Und
Berufung? Das ist vielleicht zu pathetisch ausgedrückt. Ich
schreibe, weil ich ohne Schreiben einfach nicht leben will und kann,
und weil es mir ein unbändiges Wohlgefühl bereitet, etwas, das als
vage Idee in meinem Kopf begonnen und allmählich Gestalt angenommen
hat, schließlich als etwas so Herrliches wie ein fertiges Buch in
Händen halten zu dürfen.
Was wäre für Dich eine Grund, mit dem
Schreiben aufzuhören?
Mit dem Schreiben: keiner. Mit dem
Veröffentlichen: Wenn der Kampf mit den Windmühlen der veränderten
Titel und Cover und der Sprache zu nervig würde, dann schon. Ist
aber im Moment Gott sei Dank nicht der Fall.
Ich mag es ja gerne, wenn Bücher mit
Zitaten beginnen (das scheint aus der Mode zu kommen). „Eine ganz
andere Liebe“ ist das Zitat vorausgestellt: „You have no idea
what I'd give to be normal“ (Du hast keine Idee, was ich dafür
geben würde normal zu sein). Warum dieses Zitat?
Das sagt eine Figur in einem
X-Men-Film, ich glaube, es ist der blonde Angel; das Problem,
„anders“ zu sein (in diesem Fall eben ein X-Man), macht ihm
extrem zu schaffen, besonders der Umstand, dass ihn sein Vater nicht
akzeptieren will, wie er einfach ist. Michael, einer der beiden
Hauptcharaktere des Romans, mag Gedanken wie diesen haben. Er ist
seit Kindertagen mit Anna zusammen, sie ist seine Freundin, das Leben
ist so, wie es sein sollte. Und dann ist da plötzlich dieser Junge,
Daniel, in den sich Michael sozusagen auf den ersten Blick verliebt.
Ist es ein Wunder, dass er verwirrt ist? Und die Gleichung hetero =
normal, das geistert ja immer noch in vielen Menschen herum. Für
Michael ist es ein schwieriger Prozess zu akzeptieren, dass er so ist,
wie er eben ist, dass er Daniel liebt und deshalb wohl schwul ist –
und dass das für ihn eben das Normale und gut ist … Übrigens habe
ich „Narben“ ein Zitat aus John Irvings Roman „In einer Person“
(darin geht es um einen bisexuellen Mann) vorangestellt: „Nicht
jeder hier versteht Menschen wie uns.“
Am 15. März erscheint Dein neuer Roman
„Narben“. Bist Du schon mit einem neuen Projekt beschäftigt? Was
können wir als nächstes erwarten?
Voraussichtlich Ende April/Anfang Mai
soll die Novelle „Der Stammbaum“ im Verlag Homo Littera
herauskommen, das ist mein literarisch bislang anspruchsvollster
Text. Für nächstes Jahr ist im selben Verlag
„Die Hände meines Freundes“ geplant, ein Roman, der weiter
ausholt und die Entwicklung seiner Protagonisten in Bezug auf ihr
Sich-Einlassen auf echte Liebe nachvollzieht. Und noch ein zweites
Buch wird wahrscheinlich im kommenden Jahr herauskommen, etwas für
mich ganz Neues, in dem ich meine beiden Leidenschaften, die
Literatur und den Film, zu verbinden versuche; an diesem Projekt
arbeite ich aber noch. Dass diese Bücher jetzt in so rascher Abfolge
erscheinen, hat den Grund, dass die meisten Manuskripte lange Jahre
in der Schublade lagen und kein Verlag sich dafür zu interessieren
schien. Und dann, als ich schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte,
ging alles Schlag auf Schlag. Das macht mich sehr glücklich.
Vielen Dank für dieses wunderbare Interview! Meine Neugier auf die Bücher von Paul Senftenberger ist geweckt. :-)
AntwortenLöschenWunderbar. Mir gefällt sehr, dass der Autor für die beiden letzten Bücher die wundervollen Gemälde als Cover durchsetzen konnte. Die machen noch mehr Lust, den Inhalt des Buches zu erkunden.
AntwortenLöschenDanke für den Kommentar! Die Cover sind wirklich sehr passend :-) Im Juli erscheint der neue Roman des Autors.
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